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Der Kapuzenmörder

Der Kapuzenmörder

Titel: Der Kapuzenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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Corbett sah dem Untersherifif nach, als der sich nach rechts in die Shoe Lane wandte.
    »Was ist los mit Cade?« fragte er sich leise. »Warum ist er so still? Was hat er zu verbergen?«
    Ranulf zuckte nur die Achseln, und Corbett beschloß, weiterzureiten. Sie schoben sich in das Gedränge, das sich durch Newgate wälzte; die Straßen wurden schmaler, und die Durchfahrt war von Karren verstopft, die mit Feldfrüchten, Obst, Roggen, Hafer, roten Fleischbrocken, quakenden Gänsen und Hühnern in Holzkäfigen beladen waren. Der Lärm wurde ohrenbetäubend; mächtige Karrengäule stapften vorüber, und die Räder der Fuhrwerke rumpelten wie Donnerhall und wirbelten große Staubwolken auf. Die Luft gellte von fremdländischen Flüchen, jähem Zank, Peitschenknall und dem Klirren von Zuggeschirren. Corbett bog gleich hinter dem Stadttor links ab und führte Ranulf durch eine Gasse mit zerbrochenem Kopfsteinpflaster, das die Gosse verstopfte, die in der Mitte entlanglief. Sie kamen langsam voran, denn immer wieder taten sich breite Lücken und tiefe Schlaglöcher vor ihnen auf. Manche waren mit Reisig und Holzspänen aufgefüllt, andere aber waren Sickergruben voll nächtlicher Exkremente, die aus den Häusern zu beiden Seiten gekippt worden waren.
    »Master, wo wollen wir hin?«
    »Nach St. Bartholomew. Ich will in die Seele eines Mörders schauen.«

SECHS

    S ie überquerten eine Straße und ritten die nächste Gasse hinunter; hier standen die Häuser noch dichter gedrängt und es war dunkel wie in der Nacht. Die Giebel der oberen Stockwerke ragten so weit in die Gasse hinaus, daß sie einander fast berührten und nicht einen Sonnenstrahl durchließen. Endlich hatten sie Smithfield erreicht, die große, offene Fläche, aufder sich immer noch die Menschen zum Pferdemarkt drängten, Reiche vor allem, die darauf brannten, bei einer Versteigerung von Berberstuten ihr Gebot abzugeben. Junge Galane trugen dicke Wämse mit breit wattierten Schultern und engen Taillen; ihre Puffärmel waren ausladende Gebilde aus Samt, Atlas und Damast, und ihre Beine steckten in enganliegenden, buntfarbigen Hosen, die ihre Waden und die stattlichen Hosenlätze besonders vorteilhaft betonten. Auf den Armen dieser Gecken ruhten die Hände von ebenso prächtigen Damen in schweren, eckig ausgeschnittenen Gobelinkleidern, die von silbernen Kordeln hochgerafft waren; sie trugen prachtvolle Hauben, die sich über sorgsam gezupften Brauen und Stirnen wölbten. Corbett mußte lächeln, als er diese Frauen mit den Schwestern der Hl. Martha in ihrer nüchternen Kleidung und den ungeschminkten Gesichtern verglich.
    Sie kämpften sich durch das Gedränge, vorbei an dem großen, verkohlten Scheiterhaufen, auf dem Verbrecher verbrannt wurden, und gelangten schließlich durch den Torbogen in das Hospital von St. Bartholomew. Über einen offenen Innenhof, vorbei an Ställen, Schmieden und anderen Außengebäuden, kamen sie zu der langen, hohen Gewölbehalle des Spitals, die sich parallel zur Prioreikirche erstreckte. Ein alter Soldat, der sich jetzt als Knecht verdingt hatte, räkelte sich in der warmen Nachmittagssonne und erbot sich, sie hineinzuführen. Sie gingen durch Korridore und vorbei an sauberen, gut gelüfteten Kammern mit offenen Fenstern; die Binsen, die hier auf dem Boden lagen, waren frisch und mit Kräutern bestreut. In jeder Kammer standen drei oder vier Betten, und Corbett sah kranke Männer und Frauen, deren Köpfe auf frischen Leinenpolstern ruhten. Es waren hauptsächlich unglückliche Arme aus der Stadt, die bei den Brüdern Aufnahme gefunden hatten, um hier gepflegt und geheilt zu werden oder wenigstens in Würde zu sterben.
    Der alte Soldat blieb stehen und klopfte an eine Tür. Eine Stimme rief »Herein«, und Corbett und Ranulf wurden in einen karg eingerichteten Raum geschoben. Die Luft war erfüllt von dem Duft aus Töpfen und Tiegeln mit zerdrückten Kräutern und anderem Gebräu. Der Apotheker, Pater Thomas, hatte ihnen den Rücken zugewandt; er saß vornübergebeugt an einem Tisch unter dem Fenster.
    »Wer ist da?« fragte er; sein Ton war gereizt, weil man ihn störte, während er mit einem kleinen, scharfen Messer eine Wurzel zerteilte.
    »Wir gehen wieder, wenn wir Euch stören, Pater.« Der Mann drehte sich um. Er war ein hochgewachsener, häßlicher Mann mit überraschend freundlichem Gesicht.
    »Hugh! Ranulf!« Das lange Pferdegesicht erstrahlte in einem Lächeln. Er stand auf und griff nach der Hand des Sekretärs, den er

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