Der Kapuzenmörder
gut bemannt und bewaffnet und werde von Soldaten bewacht.
»Angeblich ein Weinhändler«, meinte der Bursche säuerlich. »Aber kennt Ihr die Franzosen, Master? Es ist ein Kauffahrer, den sie in ein Kriegsschiff verwandelt haben.«
Corbett fluchte und zahlte den Burschen ihren Sold. Er wollte nicht, daß das Schiff ablegte und womöglich in ein Seegefecht auf der Themse oder, schlimmer noch, im Kanal verwickelt wurde, wo es jedem Verfolger ausreißen und schnurstracks nach Dieppe oder Boulogne entkommen könnte. Er verließ die Schenke und ging draußen rastlos auf und ab. Von Rechts wegen hätte er auf dem Weg nach Sheen sein müssen, aber der König mußte noch warten. Hoffentlich hatte er richtig vermutet...
Endlich kam Ranulf mit Cade zurück; sie hatten einen Sheriff und einen Trupp städtischer Bogenschützen und Soldaten bei sich. Sie drängten sich in den Straßen und schmalen Gassen und riefen unter den frühmorgendlichen Einkäufern, Seeleuten, Händlern und Hökern einige Verwunderung hervor. Der Untersheriff sah immer noch unruhig und nervös aus; ihm war klar, daß seine Unehrlichkeit im Zusammenhang mit Judith noch nicht restlos vergessen war.
»Gibt es Neues aus dem Tower, Master Cade?«
Der Untersheriff schüttelte den Kopf.
»Bruder Richard wurde freigelassen, und Adam von Warfield wiederholt immer nur seine Geschichte. Aber was soll dieser Wirbel, Sir Hugh?«
»Dieser Wirbel«, fauchte Corbett, »dreht sich um Hochverrat!« Er sah Ranulf an. »Der Hafenmeister ist gewarnt?« Ranulf nickte.
»Zwei Kriegsschiffe sind auch alarmiert«, fügte Cade hinzu. »Die Themse unterhalb von Westminster ist abgeriegelt, aber mit der Tide könnte einem Schiff der Durchbruch in die offene See gelingen. Ich nehme an, wir haben es auf ein Schiff abgesehen?«
Corbett nickte. »Auf einen zum Kriegsschiff umgebauten französischen Kauffahrer, die Grace à Dieu. Sie liegt in Queenshite. Ich wünsche keine Mätzchen. Vergeßt Proteste, Protokolle und diplomatische Verbindlichkeiten. Man soll das Schiff beschlagnahmen, die Soldaten entwaffnen und alles durchsuchen, vom Kiel bis zu den Mastspitzen.«
Cade erbleichte. »Sir Hugh, Ihr wißt hoffentlich, was Ihr tut? Wenn Ihr Euch irrt — und ich nehme an, Ihr sucht nach dem gestohlenen Schatz — , dann wird das Faß des königlichen Zorns überlaufen und sich über uns alle ergießen!«
»Und wenn ich recht habe«, sagte Corbett beruhigend, »werden wir alle um den Maibaum tanzen!«
Er führte die Bogenschützen und Soldaten durch die enge Gasse hinunter zu den Docks. Im Flüsterton wurden Befehle erteilt, und dann hatten sie den Fluß erreicht. Corbett sah die Grace à Dieu; die Gangways lagen noch auf dem Kai, aber schon enterten die Matrosen in die Wanten, um die Segel zu setzen.
»Los!« schrie Corbett.
Er, Cade und Ranulf führten die Angreifer über das Kopfsteinpflaster. Die Gangways wurden gestürmt. Zwei Soldaten in der königlich-französischen Livree versuchten, ihnen den Weg zu versperren, wurden aber beiseite gestoßen, und englische Bogenschützen und Soldaten schwärmten auf dem ganzen Schiff aus. Die Matrosen, die in der Takelage überrascht wurden, mußten herunterkommen, die Soldaten im Zwischendeck wurden entwaffnet.
Im Handumdrehen war das Schiff beschlagnahmt, und die französischen Soldaten waren zu Zuschauern degradiert. Die Luke der kleinen Kajüte auf dem Achterdeck öffnete sich, und de Craon, gefolgt von de Nevers, stürmte über die Decksplanken zu Corbett und Cade, die am Großmast standen.
»Das ist unerhört!« schrie de Craon. »Wir sind akkreditierte Gesandte König Philipps, und dies ist ein französisches Schiff!« Er deutete auf ein großes Banner am Heck. »Wir segeln unter dem königlichen Schutz des Hauses Capet!«
»Von mir aus könnt Ihr unter dem Schutz des Heiligen Vaters segeln!« versetzte Corbett. »Ihr habt wieder einmal Schurkereien im Schilde geführt, de Craon! Ich will das Gold des Königs von England wiederhaben. Sofort!«
De Craons Augen funkelten belustigt. »Wir sind also Diebe?«
»Ja, das seid Ihr!«
»Dafür werdet Ihr Euch zu verantworten haben!«
»So oder so, Monsieur, werde ich das tun müssen.« Corbett wandte sich an Cade. »Durchsucht das Schiff.«
Der Untersheriff drehte sich um, erteilte ein paar Befehle, und de Craons Protesten zum Trotz machten die englischen Soldaten sich entschlossen ans Werk. Die Kajüte wurde auf den Kopf gestellt, aber die Sucher kamen mit finsterer Miene heraus
Weitere Kostenlose Bücher