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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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ich höre, auch bei der Ostseeflotte hielt man mehr U-Jagdübungen ab. Hier aber lassen sich U-Boote nur schwer orten. Süßwasser aus den Flüssen und das Eis an der Oberfläche führen zu ungünstigen Sonarbedingungen.«
    Das hört man gern, dachte Mancuso. Auf seinem Boot herrschte ein erhöhter Bereitschaftsgrad. Alle Sonargeräte waren voll bemannt. Er konnte Dallas binnen zwei Minuten in Bewegung setzen, und das sollte gut reichen.
    Â 
    Gerasimow saß allein in seinem Arbeitszimmer und brütete. Daß er über seinen Untergang nachdachte, sah man ihm erstaunlicherweise nicht an.

    Der Vorsitzende des Staatssicherheitskomitees schätzte seine Lage so gründlich und leidenschaftslos ein wie jedes andere Problem, das ihm im Dienste unterkam. Roter Oktober. Damit hatte alles seinen Anfang genommen. Er hatte den Zwischenfall mit dem strategischen U-Boot zu seinem Vorteil genutzt, Admiral Gorschkow erst beeinflußt und sich dann seiner entledigt; er hatte mit seiner Hilfe auch die Position seines Dritten Direktorats gestärkt. Das Militär hatte begonnen, eigene Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen – aber Gerasimow hatte das Politbüro anhand von Meldungen des Agenten Cassius überzeugt, daß nur das KGB die Loyalität und Sicherheit der sowjetischen Streitkräfte sichern konnte. Damit hatte er sich viele Feinde gemacht. Er hatte auch, wieder über Agent Cassius, die Versenkung von Roter Oktober gemeldet. Von Cassius war der Bericht von einem Strafverfahren gegen Ryan gekommen, und ...
    Und ich bin in die Falle getappt!
    Wie sollte er das dem Politbüro erklären? Einer seiner besten Agenten war umgedreht worden – aber wann? Diese Frage würde man ihm stellen, eine Antwort wußte er nicht; das würde alle Meldungen von Cassius suspekt machen.
    Er hatte fälschlich gemeldet, die Besatzung von Roter Oktober sei nicht übergelaufen, und war auf den Irrtum nicht aufmerksam geworden. Die Amerikaner hatten ohne Wissen des KGB einen Geheimdienstcoup gelandet. Daß auch GRU nichts ahnte, war nur ein schwacher Trost.
    Außerdem hatte er eine grundlegende Änderung der amerikanischen Verhandlungsposition gemeldet. Auch das war eine Ente gewesen.
    Gerasimow fragte sich, ob er alle drei Enthüllungen gleichzeitig überstehen konnte.
    Wohl kaum.
    Früher wäre ihm der Tod sicher gewesen, und das hätte ihm die Entscheidung erleichtert. Niemand, der bei Sinnen ist, wählt freiwillig den Tod, und Gerasimow wurde von eiskalter Vernunft motiviert. Nun aber drohte ihm nicht die Hinrichtung, sondern die Abschiebung auf einen unbedeutenden
Verwaltungsposten. Mehr als Zugang zu ordentlichen Lebensmittelgeschäften würden ihm seine KGB-Kontakte dann nicht verschaffen können. An der Arbeitsstelle, sogar auf der Straße, würde man ihm nicht mehr den gewohnten Respekt zollen. Nein, dachte er, das halte ich nicht aus.
    Also überlaufen? Sich von einem der mächtigsten Männer der Welt in einen Mietling verwandeln, der das, was er weiß, gegen Geld und ein bequemes Leben eintauscht? Gerasimow wußte, daß seine äußeren Verhältnisse erträglich sein würden – aber wie sollte er den Verlust der Macht verschmerzen?
    Also, was tun?
    Er mußte seine Position ändern, die Spielregeln, etwas Dramatisches tun. Aber was?
    Hatte er wirklich nur die Wahl zwischen Schmach und Flucht? Mußte er tatsächlich – mit dem Ziel im Auge – alles verlieren, für das er gearbeitet hatte?
    Sowjets sind keine Spielernaturen. Die Globalstrategie des Landes hat schon immer an das Nationalspiel Schach erinnert: eine Reihe vorsichtiger, geplanter Züge machen, immer die eigene Position decken, wenn immer möglich mit kleinen Schritten vorankommen. Auch das Politbüro hatte fast immer so gehandelt. Zur Hälfte setzte es sich aus Apparatschiks zusammen, die die entsprechende Sprache sprachen, die erforderlichen Normen erfüllten, sich jeden kleinen Vorteil zunutze machten und mit Dickfelligkeit, die sie im Kreml zur Schau stellten, nach oben gekommen waren. Funktion dieser Männer war ein dämpfender Einfluß auf jene, die herrschen wollten, auf die Vabanquespieler. Zu letzteren gehörten Narmonow und auch Gerasimow selbst, der nun plante, sich mit Alexandrow zu verbünden und Wanejew und Jasow zum Verrat an ihrem Herrn zu erpressen.
    Ein raffiniertes Spiel, das Gerasimow nicht

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