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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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rechte Körperhälfte nicht mehr. Die Babuschka, die den Aufzug bediente, begrüßte ihn wie immer. Die beiden waren gleichaltrig, sie die Witwe eines Feldwebels aus Mischas Regiment, dem er persönlich den goldenen Stern an die Brust gesteckt hatte.
    Â»Was macht Ihre kleine Enkelin?« fragte der Oberst.
    Â»Ein Engel«, war die Antwort.
    Filitow lächelte, unter anderem über das Wort ›Engel‹, das siebzig Jahre des ›wissenschaftlichen Sozialismus‹ überlebt hatte.
    Der Wagen stand bereit. Der Fahrer war frisch eingezogen und hatte gerade erst seinen Führerschein gemacht. Er salutierte streng und hielt mit der anderen Hand den Schlag auf.
    Â»Guten Morgen, Genosse Oberst.«
    Â»In der Tat ein schöner Morgen, Feldwebel Schdanow«, erwiderte Filitow. Die meisten anderen Offiziere hätten höchstens gegrunzt, aber Filitow war ein Frontsoldat, dessen Erfolg im Feld das Resultat seiner Sorge um das Wohlergehen seiner Männer gewesen war.
    Im Wagen war es angenehm warm, denn die Heizung war schon vor fünfzehn Minuten voll aufgedreht worden. Filitow wurde immer kälteempfindlicher, typische Alterserscheinung. Gerade hatte er mit Lungenentzündung im Krankenhaus gelegen, schon zum drittenmal in fünf Jahren. Einer der nächsten Krankenhausaufenthalte mochte der letzte sein, das wußte er. Filitow verdrängte den Gedanken. Würde er es überhaupt merken, wenn seine letzte Sekunde kam? fragte er sich. Würde es ihn überhaupt scheren?
    Ehe der Oberst die Frage beantworten konnte, fuhr der Wagen am Verteidigungsministerium vor.

    Â 
    Ryan war überzeugt, nun schon zu lange im Dienst der Regierung zu stehen. Inzwischen hatte er gelernt, das Fliegen  – nun, nicht gerade zu mögen, aber wenigstens die Bequemlichkeiten zu schätzen, die damit verbunden waren. Er war nun vier Flugstunden von Washington entfernt, in einem C-21 Learjet der Air Force, den eine Pilotin im Rang eines Captain, die ihm wie eine Studentin im Erstsemester vorgekommen war, gesteuert hatte. Wirst alt, Jack, sagte er sich. Vom Flughafen auf den Berg hatte ihn ein Hubschrauber gebracht, keine Kleinigkeit in dieser Höhe überm Meeresspiegel. Ryan war zum erstenmal in New Mexico. Die hohen Berge waren unbewaldet und die Luft so dünn, daß er unnatürlich schnell atmete.
    Â»Kaffee, Sir?« fragte ein Sergeant und reichte Ryan einen Thermosbecher, der in der kalten, von einer Mondsichel kaum erhellten Nacht heftig dampfte.
    Â»Danke.« Ryan trank einen Schluck und schaute sich um. Es waren nur wenige Lichter zu sehen. Hinter der nächsten Bergkette konnte er den Widerschein von Santa Fé sehen, die Distanz aber nicht abschätzen. Er wußte, daß er dreitausendfünfhundert Meter überm Meeresspiegel war. Abgesehen von der Kälte war es wunderschön. Seine Finger am Plastikbecher waren steif. Er hatte die Handschuhe daheim gelassen.
    Â»Noch siebzehn Minuten«, verkündete jemand. »Alle Systeme arbeiten normal. Tracker auf Automatik. Signalerfassung in acht Minuten.«
    Â»Wohnen Sie hier in der Nähe?« fragte Ryan den Major, der in seiner Nähe stand.
    Â»Vierzig Meilen in dieser Richtung.« Der Mann machte eine vage Handbewegung. »Für hiesige Verhältnisse praktisch um die Ecke.«
    Das ist der Mann, der an der Staatsuniversität New York promoviert hatte, sagte sich Ryan. Wie ein Soldat sah der neunundzwanzigjährige Major nun wirklich nicht aus: keine einssiebzig groß, rappeldürr, Akne im eckigen Gesicht. Im Moment waren seine tiefliegenden Augen auf jenen Sektor des Horizonts gerichtet, in dem die Raumfähre
Discovery auftauchen sollte. Ryan entsann sich der Dokumente, die er auf dem Flug hierher gelesen hatte, und wußte, daß dieser Mann vermutlich nicht mal befugt war, ihm die Farbe seiner Wohnzimmertapete zu verraten. In Wirklichkeit wohnte er am Los Alamos National Laboratory, lokal als ›der Hügel‹ bekannt. Er hatte die Militärakademie West Point als Jahrgangsbester absolviert und nur zwei Jahre darauf in Hochenergiephysik promoviert. Seine Dissertation war als streng geheim eingestuft – überflüssigerweise, wie Jack fand, der sie gelesen und ebenso unverständlich wie Kurdisch gefunden hatte. Schon wurde Alan Gregory im gleichen Atemzug mit Stephen Hawking oder dem Princeton-Professor Freeman Dyson genannt. Der Haken war allerdings, daß nur

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