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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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vorwiegend verhindern, daß feindliche Kernwaffen ihr Land zerstörten, denn sie hatten in jedem der beiden Weltkriege
zwanzig Millionen Tote zu beklagen gehabt und waren bedacht, eine Wiederholung zu vermeiden.
    Dies war keine leichte Aufgabe. Der wissenschaftliche Marxismus-Leninismus sieht die Geschichte nicht als Abfolge von Ereignissen, sondern versteht sie als Evolutionsprozeß, an dessen Ende er als ideale Gesellschaftsform triumphiert. Wie Spieler mit gezinkten Karten ›wußten‹ die Kommunisten, daß sie am Ende gewinnen würden, doch es gab dunkle Momente, in denen sie widerwillig eingestehen mußten, daß auch das Glück oder der Zufall ihnen die Formel verderben konnten. Den westlichen Demokratien fehlte nämlich neben der wissenschaftlichen Weltanschauung auch ein gemeinsames Ethos, und das machte sie unberechenbar.
    Ãœberwiegend aus diesem Grunde fürchtete der Osten den Westen. Seit der Gründung der Sowjetunion hatten die Kommunisten Milliarden für Spionage im Westen investiert, vorwiegend um herauszufinden, was der Gegner plante.
    Trotz zahlloser taktischer Erfolge blieb das Grundproblem bestehen: Immer wieder hatte die Regierung der Sowjetunion Handlungen und Absichten des Westens grundfalsch verstanden; und im Atomzeitalter konnte Unberechenbarkeit bedeuten, daß ein psychisch labiler amerikanischer Präsident die Zerstörung der Sowjetunion auslösen und den Aufschub des Weltsozialismus für Generationen bewirken konnte. Das westliche Kernwaffenarsenal stellte die schwerste Bedrohung für den Marxismus-Leninismus dar; Gegenmaßnahmen waren die Hauptaufgabe des sowjetischen Militärs. Anders aber als der Westen sahen die Sowjets in der Verhinderung ihres Einsatzes nicht nur schlicht die Verhütung des Krieges. Da der Westen den Sowjets als politisch unberechenbar galt, konnten sie sich auf Abschreckung allein nicht verlassen, sondern mußten in der Lage sein, das westliche Kernwaffenarsenal im Kriegsfall auszuschalten oder zumindest zu reduzieren.
    Ihr eigenes Arsenal war für eben diese Aufgabe ausgelegt.
Die Vernichtung von Städten und ihrer Einwohner war immer einfach, die Zerstörung feindlicher Raketenbasen aber nicht. Zur Ausschaltung der amerikanischen Raketen in ihren Silos waren mehrere Generationen höchst zielgenauer und kostspieliger Interkontinentalgeschosse wie die SS-18 entwickelt worden, deren einzige Aufgabe es war, Amerikas Minuteman-Abschußanlagen, U-Boot- und Bomberstützpunkte in strahlenden Staub zu verwandeln. Bis auf letztere lagen alle weit genug von den Ballungszentren entfernt, so daß sich ein Entwaffnungsschlag gegen den Westen ohne zwangsläufige Auslösung des Holocaust führen ließ. Gleichzeitig verfügten die Amerikaner über nicht genügend akkurate Sprengköpfe, um die sowjetischen Raketen auf ähnliche Weise zu bedrohen. Die Sowjets waren also bei einem potentiellen Angriff, der sich gegen Waffen und nicht gegen Menschen richtete, im Vorteil.
    Auf See aber haperte es. Über die Hälfte aller amerikanischen Kernsprengköpfe befanden sich in Unterseebooten. Bei der US Navy glaubte man, ihre strategischen Boote seien noch nie von der Gegenseite erfaßt und verfolgt worden. Das war ein Irrtum. Im Lauf von siebenundzwanzig Jahren war es den Russen genau dreimal gelungen, und dann aber nie länger als vier Stunden. Die Amerikaner gaben zu, selbst nicht in der Lage zu sein, ihre eigenen ›Boomer‹, wie sie Raketen-U-Boote nannten, zu orten und zu verfolgen. Sowjetischen strategischen Booten aber kamen sie regelmäßig auf die Spur, und aus diesem Grund dislozierten die Sowjets nur einen Bruchteil ihrer Kernsprengköpfe auf See.
    Schon früh hatte man erkannt, daß Raketen Offensivwaffen mit einem defensiven Zweck sind, daß die Fähigkeit, den Gegner zu vernichten, eine klassische Formel zur Verhinderung des Krieges und zur Durchsetzung der eigenen Ziele zu Friedenszeiten darstellte. Die Tatsache jedoch, daß diese beiden Seiten zur Verfügung stehende Möglichkeit die historisch bewährte Formel der unilateralen Einschüchterung durch bilaterale Abschreckung ersetzt hatte, machte diese Lösung wenig attraktiv.

    Nukleare Abschreckung: Kriegsverhinderung durch die Drohung des wechselseitigen Holocausts. Letzten Endes sagten beide Seiten zueinander: Wenn ihr unsere hilflosen Zivilisten umbringt, töten wir eure. Das Ziel der

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