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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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übergeben.

8
    Es dämmerte schon fast, als der Bogenschütze das Wrack der Antonow fand. Er hatte zehn Männer und Abdul dabei. Sie mußten sich beeilen; sobald sich die Sonne über die Berge erhob, kamen die Russen. Von einer Kuppe aus betrachtete er die Trümmer. Beide Flügel waren beim ersten Aufprall abgerissen worden, und dann war der Rumpf weitergeschossen, einen sanften Hang hinauf, hatte sich mehrmals überschlagen und war zerbrochen, bis nur noch das Leitwerk kenntlich blieb. Daß es ein Meisterstück des Piloten gewesen war, die Maschine unter diesen Bedingungen überhaupt einigermaßen unter Kontrolle zu halten und zu landen, konnte er nicht wissen. Er gab seinen Männern ein Zeichen und ging auf das Hauptteil des Wracks zu. Dort wies er sie an, nach Waffen und Dokumenten zu suchen. Der Bogenschütze selbst und Abdul wandten sich den Überresten des Hecks zu.
    Wie üblich bot die Absturzstelle einen widersprüchlichen Anblick. Einige Leichen waren zerfetzt, andere sahen auf den ersten Blick unversehrt aus; seltsam friedlich. Er zählte sechs, die im Frachtraum gesessen hatten. Alles Russen, alle in Uniform. Einer trug die Uniform des KGB und war noch angeschnallt. Er hatte rosa Schaum vorm Mund, mußte nach dem Aufprall wohl noch kurz gelebt und Blut gehustet haben. Der Bogenschütze drehte die Leiche um und sah, daß eine Aktentasche am Handgelenk des Mannes festgeschlossen war. Das war vielversprechend. Der Bogenschütze bückte sich und versuchte erfolglos, die Handschelle zu lösen. Achselzuckend zog er seinen Dolch – würde er halt die Hand abschneiden müssen. Er drehte die Hand herum und begann –
    Der Arm zuckte und ein schriller Schrei ließ den Bogenschützen aufspringen. Lebte dieser Mann etwa noch? Er beugte sich über das Gesicht und bekam Blut ins Gesicht
gehustet. Die blauen Augen standen nun offen, waren von Schock und Schmerz geweitet. Der Mund bewegte sich, aber es kam nichts Zusammenhängendes heraus.
    Â»Sieh mal nach, ob noch mehr leben«, wies der Bogenschütze Abdul an, drehte sich dann zu dem KGB-Offizier um und sagte in Paschtu: »Tag, Russe.« Dabei fuchtelte er mit dem Dolch vor den Augen des Mannes herum.
    Der KGB-Offizier, ein Hauptmann, begann wieder zu husten. Der Mann war nun voll bei Bewußtsein und mußte starke Schmerzen haben. Der Bogenschütze durchsuchte ihn nach Waffen. Als der Russe abgetastet wurde, wand er sich vor Qual. Mindestens gebrochene Rippen, dachte der Bogenschütze, aber die Glieder scheinen intakt zu sein. Nun kamen ein paar gequälte Worte. Der Bogenschütze konnte ein wenig Russisch, hatte aber Mühe, die Worte zu verstehen.
    Â»Töten Sie mich nicht ...«
    Nachdem der Bogenschütze das verstanden hatte, fuhr er mit seiner Suche fort. Er nahm dem Hauptmann die Brieftasche ab und sah sich ihren Inhalt an. Die Fotos ließen ihn stutzen. Der Mann hatte eine Frau und einen Sohn. Das erste Bild des Jungen zeigte ihn im Alter von vielleicht zwei Jahren: ein kleiner, verschmitzter Wuschelkopf. Auf dem nächsten Bild aber war er kaum wiederzuerkennen: die Haare ausgefallen, die Haut straff über die Gesichtsknochen gespannt und durchscheinend wie die Seiten eines alten Korans. Das Kind war dem Tode geweiht. Wie alt war der Kleine jetzt wohl? Drei? Vier? Ein sterbendes Kind, dessen Lächeln Mut, Schmerz und Liebe verriet. Warum muß Allahs Zorn die Kleinen treffen? Er hielt dem Offizier das Bild vors Gesicht.
    Â»Ihr Sohn?« fragte er auf Russisch.
    Â»Tot. Krebs«, erklärte der Mann und sah dann, daß dieser Bandit ihn nicht verstand. »Krank. Lange Krankheit.« Für einen winzigen Augenblick verschwand der Ausdruck des Schmerzes aus seinem Gesicht und wich Trauer. Das rettete ihm das Leben. Zu seinem Erstaunen schob der Bandit den Dolch in die Scheide.
    Auch der Bogenschütze war über seine Reaktion erstaunt.
Es war, als habe Allah selbst ihn daran erinnert, daß nach dem Glauben als erster Tugend gleich die Barmherzigkeit kommt. Das allein reichte nicht – seine Kameraden ließen sich von einem Vers aus der Heiligen Schrift nicht umstimmen –, aber dann fand er in der Hosentasche des Mannes einen Schlüsselring. Mit einem Schlüssel öffnete er die Handschelle, mit dem anderen die Aktentasche. Sie war voller Hefter, die den Stempelaufdruck GEHEIM trugen. Dieses russische Wort kannte er.
    Â»Mein

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