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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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hatten, blieb unangetastet. Der sowjetischen Regierung öffnete sich die beste beider Welten – eine viel größere Zahl zielgenauer Raketen, mit denen sie die amerikanischen Sprengköpfe ausschalten konnte, und ein Schild zur Abwehr des Gegenschlages auf die Raketenstartanlagen der Reserve. Die amerikanischen seegestützten Systeme ließen sich durch Zerstörung der GPS-Navigationssatelliten neutralisieren, ohne die sie zwar noch Städte zerstören, aber keine Raketensilos mehr angreifen konnten.
    Oberst Michail Semionowitsch Filitow hielt sich an ein Szenarium, das der typischen sowjetischen Fallstudie entsprach. Es brach zum Beispiel im Nahen Osten eine Krise aus, und während Moskau bemüht war, die Lage zu stabilisieren, griff der Westen – dumm und ungeschickt natürlich  – ein und begann vor der Presse offen Spekulationen über eine nukleare Konfrontation anzustellen. Von den Nachrichtendiensten ging die Blitzmeldung nach Moskau, ein atomarer Schlag läge im Bereich des Möglichen. Die SS-18-Regimenter der Strategischen Raketenstreitkräfte gingen heimlich in Alarmbereitschaft, ebenso die neuen bodengestützten Laserwaffen. Während das Außenministerium sich noch um eine Beruhigung der Lage bemühte, drohte der Westen, griff vielleicht sogar einen Verband der sowjetischen Marine an, um seine Entschlossenheit zu demonstrieren, und mobilisierte die Nato-Armeen für eine Invasion Osteuropas. Die Welt geriet in Panik. Wenn die Kriegsdrohungen des Westens einen Höhepunkt erreicht hatten, erging an die Raketenverbände der Befehl zum Abschuß von 300 SS-18, die mit jeweils drei Kernsprengköpfen die amerikanischen Minuteman-Silos angriffen. Kleinere Waffen schalteten U-Boot- und Bomberbasen aus, und
man war dabei bedacht, die Zahl der Zivilopfer so gering wie möglich zu halten – die Sowjets wollten die Lage nicht weiter als unbedingt notwendig verschärfen. Gleichzeitig sollten die Laser so viele amerikanische Aufklärungs- und Navigationssatelliten wie möglich funktionsunfähig machen, aber die Nachrichtensatelliten intakt lassen – ein Risiko zum Beweis ›guten Willens‹. Vor dem Einschlag sowjetischer Kernsprengköpfe sollten die Amerikaner zu einer Reaktion auf die Attacke nicht imstande sein. (Dieser Aspekt machte Mischa Kummer, aber KGB und GRU meinten, abgesehen von den psychologischen Faktoren habe auch das amerikanische Befehlssystem ernste Schwächen.) Vermutlich würden die Amerikaner ihre U-Boot-Waffen in Reserve halten und ihre überlebenden Minutemen auf russische Raketensilos abschießen, doch es stand nicht zu erwarten, daß mehr als zwei- oder dreihundert Sprengköpfe den ersten Schlag überstanden; viele von diesen würden ohnehin leere Löcher treffen, und den größten Teil der anfliegenden Waffen würde das Verteidigungssystem abschießen.
    Nach Ablauf der ersten Stunde würden die Amerikaner erkennen müssen, daß die Wirksamkeit ihrer U-Boot-Raketen stark reduziert war. Dann gingen konstant sorgfältig vorbereitete Sprüche über den heißen Draht von Moskau nach Washington: WIR DÜRFEN EINE WEITERE ESKA-LATION NICHT ZULASSEN. Dann würden die Amerikaner erst einmal innehalten und nachdenken. Das war entscheidend: Jemand mag aus einem Impuls heraus oder im Zorn Städte angreifen, aber nicht auf nüchterne Überlegung hin.
    Die Möglichkeit, daß eine Seite ihre Verteidigungssysteme als Begründung für einen Offensivschlag ansah, bereitete Filitow keine Sorgen. In Krisenzeiten jedoch konnte ihre Existenz die Furcht vor einem solchen Schlag verringern  –, wenn die Gegenseite nicht über Abwehrsysteme verfügte. Also mußten beide Seiten welche haben. Damit war die Möglichkeit eines Erstschlags stark verringert, und die Welt war sicherer. Der Bau von Defensivsystemen war
nicht mehr aufzuhalten. Den alten Krieger, der bei dem Gedanken an Interkontinentalraketen immer Unbehagen empfunden hatte, freute die Möglichkeit, daß die Dinger vielleicht endlich neutralisiert wurden und daß der Tod dorthin zurückkehrte, wo er hingehört: zu bewaffneten Männern auf dem Schlachtfeld.
    Bist müde, dachte er, es ist zu spät für so tiefschürfende Gedanken. Wenn er den Bericht mit Daten aus Bondarenkos endgültiger Version ergänzt hatte, würde er ihn fotografieren und den Film seinem Kontaktmann

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