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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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stattfand, teilnehmen. Ihre Tränen flossen unentwegt, tagelang, als sie sich Dinge tun sah, die sie niemals hätte tun sollen. Jede Übertretung ihres Lebens erschien ihr in allen Einzelheiten vor Augen, besonders jene der vergangenen beiden Jahre ... Irgendwie wußte sie, daß diese sie hierhergebracht hatten. Swetlana erlebte jeden Verrat am Mutterland noch einmal mit. Die ersten koketten Flirts in London, die heimlichen Treffs mit den ersten Männern, die Warnungen, nur nicht übermütig zu werden, und dann die Tage, an denen sie ihre Herkunft benutzt hatte, um durch die Zollkontrollen zu segeln, an denen sie ihr Spiel getrieben und sich an ihren ärgsten Verbrechen ergötzt hatte. Ohne es zu merken, stöhnte sie immer wieder: »Ich bereue ...«
    Â 
    Â»So, jetzt wird’s knifflig.« Der Arzt setzte Kopfhörer auf, nahm am Steuerpult einige Justierungen vor. »Swetlana ...« flüsterte er ins Mikrophon.
    Â 
    Anfangs hörte sie ihn nicht. Erst nach einer Weile sagten ihr ihre Sinne, daß da etwas nach ihr rief, beachtet werden wollte.
    Â»Swetlana  ...« rief die Stimme. Oder bildete sie sich das nur ein?
    Sie verdrehte den Kopf, suchte.
    Â»Swetlana  ...« flüsterte es wieder. Sie hielt so lange wie möglich den Atem an, befahl ihrem Körper Reglosigkeit, doch er betrog sie aufs neue. Ihr Puls jagte, das Pochen des
Blutes in ihren Ohren übertönte das Geräusch. Sie stöhnte verzweifelt, fragte sich, ob sie sich die Stimme nur eingebildet hatte, fragte sich, ob alles nur noch schlimmer wurde. Oder gab es vielleicht Hoffnung ...?
    Â»Swetlana  ...« Kaum mehr als ein Flüstern, aber laut genug, um Gefühle auszudrücken. Die Stimme klang so traurig, so enttäuscht. Swetlana, was hast du getan?
    Â»Nichts, nichts –« stieß sie hervor, konnte aber ihre eigene Stimme immer noch nicht hören. Erneutes Schweigen belohnte sie. Nach einer Ewigkeit schrie sie: »Kommen Sie doch wieder, bitte, kommen Sie zurück!«
    Â»Swetlana«, wiederholte die Stimme endlich, »was hast du getan ...?«
    Â»Es tut mir leid ...« sagte sie tränenerstickt.
    Â»Was hast du getan?« Wieder die Frage. »Was war das für ein Film ...?«
    Â»Ja!« antwortete sie – und gestand alles.
    Â 
    Â»Zeit elf Stunden einundvierzig Minuten. Verfahren abgeschlossen.« Der Arzt stellte das Bandgerät ab und knipste dann das Licht im Raum mit dem Becken mehrmals an und aus. Ein Taucher im Tank bedeutete mit einer Geste, daß er verstanden hatte, und stieß Versuchsperson Wanejewa eine Injektionsnadel in den Arm. Als ihr Körper schlaff geworden war, holte man sie heraus. Der Arzt verließ die Steuerkabine, um nach ihr zu sehen.
    Als er sie erreichte, lag sie auf einer Bahre; den Anzug hatte man ihr schon abgestreift. Er blieb neben der bewußtlosen Frau sitzen und hielt ihre Hand, als ein Assistent ihr ein mildes Stimulans injizierte. Hübsch ist sie, dachte der Arzt. Ihr Atem ging schneller. Er winkte den Assistenten hinaus. Nun waren die beiden allein.
    Â»Hallo Swetlana«, sagte er in seinem sanftesten Tonfall. Die blauen Augen gingen auf, sahen die Deckenlampe und die Wände. Dann wandte sie ihm den Kopf zu.
    Er wußte, daß er sich nun zu weit in die Sache einließ, aber er hatte lange an diesem Fall, der bislang wohl wichtigsten Station seines Programms, gearbeitet. Die nackte
Frau sprang vom Tisch in seine Arme und erdrückte ihn fast. Nicht etwa, weil der Arzt besonders gut aussah, das wußte er, sondern weil er ein Mensch war, den sie berühren wollte. Ihr Körper war noch glitschig vom Öl; ihre Tränen fielen auf seinen weißen Kittel. Nach dieser Erfahrung würde sie nie wieder ein Verbrechen gegen den Staat begehen. Schade, daß sie nun ins Arbeitslager mußte. Eine Schande, dachte er, als er sie untersuchte. Nun, vielleicht konnte er da etwas machen. Nach zehn Minuten war sie wieder weggetreten. Er ließ sie schlafend liegen.
    Â 
    Â»Ich habe ihr Versed gegeben, ein Präparat aus dem Westen, das Erinnerungen auslöscht.«
    Â»Wozu das?« fragte Watutin.
    Â»Ich will Ihnen eine weitere Option geben, Genosse Oberst. Wenn sie am späten Vormittag erwacht, wird sie sich an kaum etwas erinnern. Versed wirkt wie Scopolamin, nur stärker. Ihr werden nur unbestimmte Details im Gedächtnis bleiben und sonst kaum etwas. Das

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