Der Kardinal im Kreml
Ganze wird ihr vorkommen wie ein böser Traum. Versed ist auch ein Hypnotikum. Ich kann ihr nun zum Beispiel einreden, daà sie alles vergessen soll, aber nie wieder den Staat verraten darf. Es besteht eine achtzigprozentige Wahrscheinlichkeit, daà sie gegen beide Anweisungen nie verstoÃen wird.«
»Das meinen Sie doch nicht im Ernst!«
»Genosse, eine Auswirkung dieser Methode ist, daà sie sich selbst heftiger verdammt, als es der Staat jemals könnte. Sie haben doch sicher 1984 gelesen. Zu Orwells Zeiten mochte das noch Zukunftsmusik gewesen sein, aber für uns ist es dank moderner Technologie Wirklichkeit. Der Trick ist, eine Person nicht von auÃen, sondern von innen zu zerbrechen.«
»Soll das heiÃen, daà wir sie jetzt benutzen können ...?«
11
»Er schafft es nicht.« Ortiz hatte den Botschaftsarzt geholt. Tschurkins verletzte Lungen konnten die Lungenentzündung, die er sich auf dem Transport zugezogen hatte, nicht abwehren. »Den heutigen Tag überlebt er wahrscheinlich nicht. Tut mir leid, die Schäden sind zu schwer. Einen Tag früher, dann hätten wir ihn vielleicht retten können, aber so â« Der Arzt schüttelte den Kopf.
»Kann er sprechen?«
»Nicht viel. Versuchen Sie es halt. Schaden kann ihm das nicht mehr. Ein paar Stunden lang wird er noch bei BewuÃtsein bleiben und dann ins Koma fallen.«
»Danke für den Versuch, Doc«, sagte Ortiz und hätte beinahe vor Erleichterung geseufzt. Was hätte man auch mit einem lebendigen Russen anfangen sollen? Zurückgeben? Behalten? Austauschen? Ortiz fragte sich, weshalb der Bogenschütze ihn überhaupt mitgebracht hatte. »Na denn«, sagte er zu sich selbst und betrat das Zimmer.
Zwei Stunden später kam er wieder heraus und fuhr in die Botschaft, in deren Kantine Bier ausgeschenkt wurde. Er setzte seinen Bericht an Langley auf und nutzte dann die nächsten fünf Stunden, um sich gründlich und miÃmutig zu betrinken.
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Ed Foley konnte sich diesen Luxus nicht leisten. Vor drei Tagen war einer seiner Kuriere verschwunden; eine andere hatte ihren Schreibtisch bei GOSPLAN verlassen und war erst zwei Tage später zurückgekehrt. Und erst heute vormittag hatte sich der Mann aus der Reinigung krankgemeldet. Dem jungen Mann im Dampfbad hatte er eine Warnung zukommen lassen, wuÃte aber nicht, ob sie auch angekommen war. Das war mehr als nur ein Problem in seinem KARDINAL-Netz, das war eine Katastrophe. Swetlana Wanejewa war nur eingesetzt worden, weil sie gegen
drastische MaÃnahmen des KGB gefeit zu sein schien, und er hatte sich darauf verlassen, daà sie einige Tage lang Widerstand leistete, damit er in der Zwischenzeit seine Leute in Sicherheit bringen konnte. Der Befehl, KARDINAL auÃer Landes zu schaffen, war avisiert worden, aber noch nicht eingetroffen. Es war sinnlos, den Mann in Aufregung zu versetzen, bevor alles bereit war. Dann aber sollte es für Oberst Filitow eine Kleinigkeit sein, einen Vorwand für einen Besuch im Hauptquartier des Militärbezirks Leningrad zu finden â immerhin tat er das zweimal im Jahr â, damit er herausgeholt werden konnte.
Sofern das klappt, sagte sich Foley. Soweit er wuÃte, war das bisher nur zweimal gelungen. Und sicher konnte man nie sein, oder? Nein, niemals. Zeit zum Verschwinden. Er und seine Frau muÃten mal ausspannen.
Er fragte sich, ob er KARDINAL trotzdem warnen, ihm einschärfen sollte, sich vorzusehen. Doch dann mochte der Alte die Daten vernichten, nach denen Langley schrie, und die Daten waren wichtiger als alles andere. So lautete die Vorschrift, eine Regel, die Filitow kannte und verstand. Andererseits waren Spione mehr als nur Objekte, die Informationen lieferten.
Agenten wie Foley und seine Frau sollten sie als wertvoll, aber entbehrlich ansehen, sich innerlich von ihren Nachrichtenbeschaffern distanzieren, wenn möglich freundlich zu ihnen sein, aber auch rücksichtslos, wenn erforderlich, sie im Grunde genommen wie Kinder zu behandeln, mit einem Gemisch aus Nachsicht und Strenge. Doch KARDINAL war älter als Foleys Vater und schon Agent gewesen, als Ed Foley noch die Schulbank gedrückt hatte. Konnte er denn anders als Filitow gegenüber loyal sein? Natürlich nicht. Er muÃte ihn decken. Aber wie?
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Bei der Spionageabwehr wird oft nur reine Polizeiarbeit geleistet, und aus diesem Grund verstand sich Oberst Watutin
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