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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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wie sie allein durchs Leere schwamm, vergeblich zappelte, dem Nichts zustrebte ...
    Â 
    Als der Schrei aus dem Wandlautsprecher gellte, wäre Watutin fast vom Stuhl gesprungen. Das war grauenhaft. Er hatte Hinrichtungen miterlebt, Folterungen, Schreie der Qual und der Wut und der Verzweiflung gehört, aber noch nie den Schrei einer Seele aus einer Verdammnis schlimmer als die Hölle.
    Â»Ah ... das sollte der Beginn der dritten Phase sein.«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Sehen Sie«, erklärte der Arzt, »der Mensch ist ein geselliges Tier. Unser sensorischer Apparat ist auf das Sammeln von Daten eingerichtet, die uns in die Lage versetzen, auf unsere Umwelt und unsere Mitmenschen zu reagieren. Eliminiert man alle menschliche Gesellschaft und alle Sinneseindrücke, ist die Psyche völlig allein mit sich selbst. Zahllose Beispiele demonstrieren, was dann passiert. Diese Idioten aus dem Westen zum Beispiel, die allein die Welt umsegeln. Eine überraschende Anzahl wird verrückt, und viele verschwinden einfach; vermutlich Selbstmord. Selbst jene, die Überleben, jene, die täglich ihr Funkgerät benutzen, brauchen Ärzte, die sie vor den psychologischen Risiken solcher Einsamkeit warnen. Und die können das Wasser um sich herum wenigstens noch sehen. Sie sehen ihre Boote, spüren die Wellen. Wenn man das nun alles eliminiert ...« Der Arzt schüttelte den Kopf. »Länger als drei Tage hält das kein Mensch aus. Und wir nehmen den Versuchspersonen hier alles, wie Sie sehen.«
    Â»Was war die Rekordzeit im Tank?«
    Â»Achtzehn Stunden – das war ein Freiwilliger, ein junger Außenagent vom Ersten Direktorat. Der Unterschied hier ist nur, daß unsere Person nicht wissen kann, was mit ihr geschieht. Das modifiziert den Effekt.«
    Watutin holte Luft. »Und wie lange wird es bei dieser Person hier dauern?«

    Der Arzt schaute nur auf die Uhr und lächelte. Watutin hätte ihn am liebsten gehaßt, mußte aber zugestehen, daß dieser Arzt nur tat, was er selbst seit Jahren getrieben hatte – nur rascher und ohne sichtbare Verletzungen, die den Staat bei den öffentlichen Gerichtsverhandlungen, die das KGB nun zu ertragen hatte, blamieren konnten.
    Â»So ... und was passiert in der dritten Phase?«
    Â 
    Swetlana sah sie um sich herumschwimmen. Sie wollte ihren Körper warnen, aber das hätte die Rückkehr in ihn bedeutet, die sie nicht wagte. Genau konnte sie sie eigentlich nicht erkennen, aber da waren Schemen, die sie wie Raubfische umkreisten. Einer kam an sie heran, wandte sich aber wieder ab. Dann kehrte er zurück. Sie versuchte sich zu wehren, aber etwas zog sie in ihren Körper zurück, erreichte ihn gerade noch rechtzeitig. Als sie ihren Gliedern befahl, schneller zu schwimmen, kam es von hinten. Das Maul ging auf, schloß sich um ihren ganzen Körper. Das letzte, was sie sah, war das Licht, auf das sie zugeschwommen war – das Licht, das, wie sie endlich erkannte, nie existiert hatte. Sie wußte, daß ihr Protest umsonst war, aber er kam ihr wie eine Explosion von den Lippen.
    Â»Nein!« Selbstverständlich konnte sie das selbst nicht hören.
    Nun war sie zur Rückkehr in ihren nutzlosen Leib verdammt, schwebte wieder in der grauen Masse vor ihren Augen und konnte die Glieder nur ziellos bewegen. Irgendwie verstand sie, daß ihre Imagination versucht hatte, sie zu schützen, zu befreien – nur um kläglich zu versagen. Doch abschalten ließ sich ihre Imagination, die nun destruktiv wurde, nicht. Sie weinte tonlos. Die Angst, die sie nun empfand, war schlimmer als Panik. Panik war wenigstens noch eine Flucht, eine Abwendung, ein Rückzug ins Ich. Doch das konnte sie nun nicht mehr finden; sie war Zeuge seines Todes gewesen. Swetlana war ohne Gegenwart und ganz bestimmt ohne Zukunft. Nun blieb ihr nur noch die Vergangenheit, und ihre Erinnerung suchte sich nur die schlimmsten Aspekte aus ...

    Â 
    Â»Jawohl, nun sind wir in der letzten Phase«, sagte der Arzt, griff nach dem Telefon und bestellte eine Kanne Tee. »Das ging leichter als erwartet.«
    Â»Wieso? Sie hat uns doch noch gar nichts verraten«, wandte Watutin ein.
    Â»Keine Sorge, das kommt noch.«
    Â 
    Sie sah alle Sünden ihres Lebens. Das half ihr verstehen. Dies war die Hölle, und sie wurde bestraft. Genau, das mußte es sein. Und sie mußte mithelfen, an dem Tribunal, das in ihr

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