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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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Watutin. Felix hätte Michail Filitow festnehmen und rücksichtslos verhören lassen. Damals hatte schon der Hauch eines Verdachts genügt; wer wußte, wie viele Unschuldige grundlos gebrochen oder umgebracht worden waren? Inzwischen war das anders. Nun mußte sich selbst das KGB an gewisse Regeln halten. Das Telefon ging.
    Es war der Direktor. »Bitte, kommen Sie hoch. In zehn Minuten halten wir dem Vorsitzenden Vortrag.«
    Das KGB-Hauptquartier befindet sich in einem alten Gebäude, das um die Jahrhundertwende von der Rossija-Versicherung errichtet worden war. Die Fassade war aus rostbraunem Granit, das Interieur kennzeichneten die für die Epoche typischen hohen Decken und die überdimensionierten Türen. Überall Uniformierte des Dritten Direktorats, das die Streitkräfte überwachte. In dem Gebäude herrschte Stille.
    Die Diensträume des Vorsitzenden gingen auf den Platz hinaus. Ein Sekretär erhob sich von seinem Schreibtisch und führte die beiden Besucher an den zwei Wachen vorbei, die permanent in den Ecken des Vorzimmers postiert waren. Watutin holte tief Luft, als er durch die Tür schritt.
    Nikolai Gerasimow war nun schon seit vier Jahren Vorsitzender des Staatssicherheitskomitees und hatte keinen nachrichtendienstlichen Hintergrund, sondern war fünfzehn Jahre lang Funktionär der KPdSU gewesen, ehe er in die mittleren Ränge des Fünften Hauptdirektorats kam, dessen Aufgabe die Unterdrückung von Abweichlern war. Dort hatte er seine Arbeit so feinfühlig erledigt, daß man ihn stetig beförderte und schließlich zum Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden ernannte. Mit seinen dreiundfünfzig Jahren war er relativ jung für den Job und sah sogar noch jünger aus. Von Fehlschlägen war er bisher verschont geblieben, und er faßte zuversichtlich weiteren Aufstieg ins Auge: Für einen Mann, der bereits Sitz in Politbüro und Verteidigungsrat hatte, konnte weitere Beförderung den Sprung an die Spitze der Sowjetunion bedeuten. Er, der ›Schwert und Schild‹ der Partei (der Wahlspruch des KGB)
trug, war bis in alle Einzelheiten über seine Konkurrenten informiert. Obwohl er seine Ambitionen nie offen aussprach, gab es im Haus viele junge KGB-Offiziere, die sich bemühten, ihre Karrieren mit der dieses Aufsteigers zu verknüpfen. Ein Charmeur, stellte Watutin fest, als Gerasimow sich von seinem massiven Eichenschreibtisch erhob und seinen Besuchern Plätze anbot.
    Gerasimow hob eine Akte hob. »Oberst Watutin, ich habe den Bericht über Ihre Ermittlungen gelesen. Vorzügliche Arbeit. Können Sie mich auf den neuesten Stand bringen?«
    Â»Jawohl, Genosse Vorsitzender. Ich bin diesem jungen Mann persönlich begegnet und erkannte sein Foto in den Akten wieder. Er diente in Afghanistan; laut Militärakte erhob er Einspruch gegen den Einsatz bestimmter Waffen – jener, mit denen wir versuchen, die Zivilbevölkerung an der Unterstützung der Aufständischen zu hindern.« Watutin bezog sich auf als Spielzeug getarnte Minibomben. »Der Politoffizier seiner Einheit erstattete Meldung, doch nach der ersten mündlichen Warnung hielt er sich zurück und beendete seine Dienstzeit ohne weitere Zwischenfälle. Die Meldung reichte aber aus, ihn um die Chance einer Anstellung in einer Fabrik zu bringen, und in der Folge kam er von einer Aushilfsstellung zur anderen. Kollegen beschreiben ihn als normal, aber recht still. Also so, wie ein Spion sein sollte. Auch wenn er trank, sprach er nie von seinen ›Problemen‹ in Afghanistan. Seine Wohnung wird überwacht; ebenso seine Familie und sein Bekanntenkreis. Kriegen werden wir ihn auf jeden Fall, und dann nehme ich ihn mir persönlich vor.«
    Gerasimow nickte nachdenklich. »Wie ich sehe, bedienten Sie sich bei dieser Wanejewa der neuen Verhörtechnik. Was halten Sie davon?«
    Â»Die Methode ist interessant und funktionierte in diesem Fall. Ich bezweifle aber, daß es klug ist, die Wanejewa wieder auf freien Fuß zu setzen.«
    Â»Das war meine Entscheidung«, sagte Gerasimow. »Angesichts der Sensitivität des Falles und unter Berücksichtigung
der Empfehlung des Arztes halte ich das Risiko im Augenblick für akzeptabel.«
    Â»Der Fall ist in der Tat sensitiv und verspricht noch heikler zu werden«, erwiderte Watutin vorsichtig.
    Â»Fahren Sie fort.«
    Â»Als ich diesem Altunin begegnete, stand er neben Oberst

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