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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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ebensogut aufs Ermitteln wie die besten Beamten der Moskauer Miliz. Swetlana hatte ihm den Inhaber der Reinigung verraten, der nach zwei Tagen oberflächlicher Observation
zwecks Verhör festgenommen wurde. Auf den Tank verzichtete Watutin diesmal – erstens war das Verfahren noch zu neu, zweitens bestand kein Anlaß, es dem Mann leichtzumachen. Es wurmte Watutin, daß die Wanejewa nun die Chance hatte, auf freiem Fuß zu bleiben – diese Verräterin, die für die Feinde des Staates gearbeitet hatte, in Freiheit! Anscheinend wollte jemand sie als Verhandlungsobjekt dem ZK gegenüber benutzen, aber das ging den Oberst nichts an. Nun hatte ihm der Inhaber der chemischen Reinigung die Personenbeschreibung eines weiteren Gliedes dieser endlosen Kette gegeben.
    Ã„rgerlich war, daß Watutin glaubte, den Betreffenden zu kennen. Der Mann sollte im Dampfbad arbeiten, und seine Beschreibung paßte auf den Wärter, mit dem er selbst geredet hatte!
    Wie hieß dieser Oberst noch mal? fragte er sich jäh. Der Alte, der gestolpert war? Filitow – Mischa Filitow? Persönlicher Referent von Verteidigungsminister Jasow?
    Muß arg verkatert gewesen sein, daß mir der Zuammenhang nicht auffiel. Filitow, der Held von Stalingrad, dreifacher Held der Sowjetunion. Der mußte es sein. Konnte er der ...?
    Ausgeschlossen.
    Ausgeschlossen war nichts. Watutin sammelte seine Gedanken und erwog kalt die Möglichkeiten. Ein positiver Aspekt war, daß über jeden, der in der Sowjetunion eine Rolle spielte, beim KGB eine Akte existierte.
    Filitows Akte war umfänglich, wie er fünfzehn Minuten später feststellte, und befaßte sich nur kurz mit seinen Taten im Krieg. Watutin sah zu seiner Überraschung, daß Filitow in den berüchtigten Spionagefall Penkowski verwikkelt gewesen war. Oleg Penkowski war ein hoher Offizier des sowjetischen Militärnachrichtendienstes GRU gewesen. Rekrutiert von den Briten und dann gemeinsam von SIS und CIA gesteuert, hatte der Mann sein Vaterland so gründlich wie nur möglich verraten. Am folgenschwersten war die Weitergabe des (mangelhaften) Bereitschaftsgrades der strategischen Raketenstreitkräfte an den Westen gewesen;
dies hatte Präsident Kennedy während der Kubakrise in die Lage versetzt, Chruschtschow zum Abzug der Raketen zu zwingen, die der so leichtsinnig auf der Insel stationiert hatte. Doch Penkowskis perverse Ergebenheit den Ausländern gegenüber hatte ihn beim Zuspielen der Informationen zu oft zu Risiken gezwungen, und zu viele Risiken kann sich kein Spion leisten. Der Mann hatte bereits unter Verdacht gestanden, und die erste Beschuldigung war von Filitow gekommen ...
    Ausgerechnet Filitow hatte Penkowski entlarvt? Watutin war verblüfft. Seltsamer Zufall, dachte Watutin, aber noch kein Verdachtsgrund. In der Personalakte war der Mann als Witwer ausgewiesen. Ein Bild seiner Frau lag bei, das Watutin lange bewunderte. Außerdem ein Hochzeitsfoto; der Mann vom Zweiten Hauptdirektorat mußte lächeln, als er sah, daß das alte Schlachtroß tatsächlich einmal ein verwegen aussehender junger Mann gewesen war. Auf der nächsten Seite Informationen über zwei Söhne – beide tot. Das weckte seine Aufmerksamkeit. Einer kurz vor dem Krieg geboren, der andere bald nach Kriegsausbruch. Woran waren sie gestorben? Er blätterte weiter.
    Der erste war beim Ungarnaufstand in seinem brennenden Panzer ums Leben gekommen. Der zweite – auch er bei der Panzertruppe, wie Watutin feststellte – starb bei der Explosion des Geschützverschlusses in seinem T-55. Mangelhafte Qualitätskontrolle in der Fabrik, der Fluch der sowjetischen Industrie, hatte die ganze Besatzung das Leben gekostet. Und wann war seine Frau gestorben? Im Juli darauf. An gebrochenem Herzen wahrscheinlich. Laut Akte waren beide Söhne vorbildliche junge Männer gewesen. Alle die Hoffnungen und Träume, die mit ihnen starben, dachte Watutin, und dann noch der Verlust der Ehefrau ...
    Wäre das ein Grund gewesen, die Rodina zu verraten? Watutin schaute aus dem Fenster seines Büros. Er sah die Autos auf dem Platz um die Statue von Felix Dserschinski fahren, dem ›eisernen Felix‹, der die Tscheka gegründet und die ersten Versuche des Westens, die junge Sowjetunion zu infiltrieren und zu unterwandern, verhindert hatte.

    Felix, was soll ich jetzt tun? Die Antwort auf diese Frage kannte

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