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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Rechtschaffenen und Hochgeborenen in
Verbindung mit manchmal kleinlicher Geisteshaltung machte mir zu
schaffen. Mein Vater war Metzger, Zunftmeister zwar, aber Metzger.
Zusammen mit seinem Bruder Hans betrieb er im väterlichen
Doppelhaus ‹Zum Hechtkopf› außerdem einen
ausgedehnten Viehhandel. Deshalb nannten sie ihn in Freiburg
‹Judenküng›.» Es war Martin Waldseemüller
anzuhören, wie sehr ihn die Nennung dieses Schandnamens noch heute
schmerzte. «Ach, aber warum erzähle ich Euch das
alles.»
Matthias Ringmann legte ihm kurz die Hand auf die Schulter, zog sie
dann aber sofort zurück, als wäre ihm diese Berührung
peinlich. Martin Waldseemüller begriff, dass sein Begleiter
schüchtern war. Um so mehr überraschte ihn die Wärme,
mit der er dann antwortete. «Weil wir Brüder sind.
Brüder im Geiste, das spürt Ihr doch auch. Sprecht weiter.
Das ist noch nicht das Ende der Geschichte, oder?»
«Nein. Es schien alles gut zu werden. Mein Vater kam sogar in den
Stadtrat. Dann geschah das Schreckliche. Noch während ich in
Freiburg an der Universität studierte, schloss sich mein Vater den
Aufrührern an, die den gewaltsamen Versuch planten, einige
Mitglieder des Magistrats zu vertreiben, die ihnen nicht genehm waren.
Eines Abends trafen sich die Verschwörer vor dem Zunfthaus der
Metzger, dem Haus ‹Zum Sternen›. Als sich mein Vater auf
den Heimweg machte, wurde er direkt vor dem Haus ermordet. Sein
Mörder ist nie gefasst worden. Die Geschichte hat mich lange
verfolgt.»
Er machte eine Pause. Die Erinnerung an die Ereignisse von damals war
noch immer schmerzhaft. Ringmann sagte nichts, sondern wartete einfach
nur, bis er weitersprach.
«Ich bin deshalb nach Abschluss des Magisterexamens aus Freiburg
fortgegangen und kam schließlich nach Basel zum Bruder meines
Vaters, Jakob», fuhr Martin Waldseemüller fort. «Er
hat ebenfalls in Freiburg studiert und sich danach der neuen Druckkunst
gewidmet. Das faszinierte mich. Er nahm mich als Lehrling auf und hat
mich zudem in die Kunst der Kartographie eingewiesen, mir beigebracht,
wie man einen anständigen Holzschnitt fertigt. Wir arbeiten gut
zusammen. In gewisser Weise ging ich aber auch ungern aus Freiburg
fort, besonders wegen Gregor Reisch, von dem Ihr gesprochen habt. Er
hat ein unerschöpfliches Wissen, hat mich so viel gelehrt, mir bei
meinen Studien in der Mathematik und der Kosmologie geholfen. Ohne ihn
und die Männer, die zu seinem Kreis gehörten, könnte ich
es niemals wagen, nun eine Seekarte mit den neuen Territorien nach dem
Muster der portugiesischen Portolankarten fertigen zu wollen. Habt Ihr
schon einmal eine dieser Karten gesehen? Einige sind wahre Wunderwerke.
Manches Mal denke ich, wenn Ptolemäus sie doch sehen könnte.
Seine Geographia hatte mehr als 1300 Jahre Bestand, jetzt wird sie innerhalb weniger Jahre mehr und mehr korrigiert.»
Martin Waldseemüller hatte in seiner Begeisterung nicht mehr auf
den Weg geachtet und stolperte über einen losen Stein. Das
bescherte ihm wieder einen schmerzhaften Stich in seinem Kopf.
«Seht Ihr, ich kann noch nicht einmal richtig laufen und
maße mir trotzdem an, mich in die Reihe jener zu stellen, die den
Ptolemäus umschreiben. Dabei gibt es doch so viel Bessere, als ich
es bin. So, jetzt kennt Ihr meine ganze Geschichte, wisst mehr
über mich, als einige, die sich hier in Basel meine Freunde
nennen. Wie ist es, wollt Ihr mich nicht Ilacomylus nennen? Ich bin der
Ältere, darf es Euch deshalb anbieten.»
Matthias Ringmann zog die Hand zurück, die er schon ausgestreckt
hatte, um ihn zu stützen. «Wie mir scheint, habt Ihr
zumindest ein Talent, wieder auf die Beine zu kommen.» Er
lächelte. «Sagt Philesius zu mir. Wir haben wirklich
dieselben Interessen. Auch ich bin übrigens schon einmal
überfallen worden. Allerdings nicht von jemandem, der es auf meine
Börse abgesehen hatte. Von Jakob Locher und seinen
Spießgesellen. Sie haben mir ganz in der Nähe von Reischs
Freiburger Kartause aufgelauert und mir übel eins über den
Schädel gezogen. Außerdem nahmen sie meine Kleider mit, was
mir ehrlich gesagt noch mehr missfiel als die Prügel, die ich
einstecken musste. Denn das brachte mich in eine besonders peinliche
Lage. Stellt Euch das vor! Da saß ich nun im Unterhemd im
Straßendreck, überall blaue Flecken und mein Schädel
dröhnte.»
Martin Waldseemüller konnte bei dieser Vorstellung nicht anders,
er musste lachen. Das rächte sich. «Au, mein
Schädel», rutschte es ihm

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