Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
Kunstpause, dann fuhr er fort: »So, jetzt ist es so weit. – Hallo? Mit wem spreche ich?«
Stille.
»Einen wunderschönen guten Morgen, hier ist Philipp. Mit wem habe ich denn bitte das Vergnügen?«
Wieder Stille. Offenbar hatte die Aussicht auf einen fetten Gewinn und die unverhoffte Popularität dem Anrufer die Sprache verschlagen. Außer einem leisen, flachen Atmen war nichts zu hören.
Das geschieht diesem Idioten recht!, frohlockte ich voller Schadenfreude. Wer so bescheuert ist, bei einer Radiosendung anzurufen, der muss einfach dafür bestraft werden. Das Schweigen zog sich wie Kaugummi. Ich kicherte. Jenny, die direkt neben dem Radio stand, gluckste auch – verzog dabei jedoch keine Miene. Schock, schwere Not. War das etwa mein dämliches Kichern gewesen, das ich gerade gehört hatte? Ach, du heiliger Strohsack! Ich war auf Sendung. Wer rechnete schon mit so was?! Mein erster Reflex war, den Hörer auf die Gabel zurückzupfeffern. Aber irgendetwas hielt mich in letzter Sekunde davon ab. Vielleicht war es meine gute Erziehung oder die dunkle, sympathische Stimme des Moderators. Möglicherweise aber auch der Anblick der tropfnassen Regenschirme und der blassen mürrischen Gesichter, die sich am Schaufenster vorbeischoben und bei mir eine heftige Fernwehattacke hervorriefen.
»Hi, hier ist Belinda«, meldete ich mich schließlich.
»Guten Morgen, Belinda. Scheint so, als wärst du eine echte rheinische Frohnatur«, flachste Moderator Philipp.
Haha, sehr witzig. Ich beschloss, diese plumpe und überflüssige Anspielung auf mein Gekicher zu ignorieren und hüllte mich in Schweigen. An mir, das nahm ich mir vor, würde dieser Radiofuzzi sich die Zähne ausbeißen.
»Von wo genau rufst du an?«
»Aus Düsseldorf«, antwortete ich einsilbig.
»Und was treibst du in Düsseldorf gerade?«, versuchte Philipp mich aus der Reserve zu locken.
Netter Versuch. Aber nicht mit mir! »Ich telefoniere«, ließ ich ihn eiskalt auflaufen.
»Schön, Belinda aus Düsseldorf, du bist wohl nicht in Plauderstimmung. Verrätst du mir trotzdem, ob du schon mal in Griechenland gewesen bist?«
»Ja, fünf Mal.«
»Hey, dann bist du ja gewissermaßen eine Expertin. Was gefällt dir so an diesem Land, dass du sogar noch ein sechstes Mal hinreisen möchtest?«
Plötzlich waren meine Nervosität und meine Reserviertheit wie weggeblasen. »Ich liebe Griechenland: die Atmosphäre, die Farben, die Menschen, die Musik, das Essen – einfach alles«, geriet ich regelrecht ins Schwärmen. Was, zum Henker, war nur los mit mir? Ausgerechnet ich, die Menschen, die in aller Öffentlichkeit ihr Innerstes nach außen kehrten, immer für bemitleidens- bis therapiewürdig gehalten hatte, plauderte hier munter aus dem Nähkästchen.
»Na dann mal los! Wenn du mir jetzt noch verrätst, was sich im Koffer befindet, kannst du schon nächste Woche dort sein.«
Ich räusperte mich. »Ein Paar Schwimmflügelchen, Badelatschen, Ohropax, ein Hawaiihemd …«, begann ich zaghaft und versuchte mich zu konzentrieren.
Was gar nicht so einfach war. Denn aus den Augenwinkeln sah ich, wie Jenny, die am liebsten in das Radiogerät hineingekrochen wäre, an dem Lautstärkeregler herumfingerte. Von einer bösen Vorahnung ergriffen, zeigte ich ihr einen Vogel und gestikulierte wild in ihre Richtung. Fröhlich grinsend winkte Jenny zurück. Mit Zeige- und Mittelfinger formte sie das Victoryzeichen.
»… ein Kofferradio, Kohletabletten, ’ne Frisbeescheibe …«
Plötzlich jagte ein schrilles Pfeifen wie ein Kugelblitz durch meine Gehörgänge.
»Könntest du vielleicht dein Radio ausschalten oder zumindest etwas leiser drehen?«, bat Philipp mit einem milden Vorwurf in der Stimme.
Hektisch machte Jenny sich an dem Knopf zu schaffen und drehte ihn prompt in die verkehrte Richtung. Autsch! Die Rückkoppelung sprengte mir fast das Trommelfell.
Toll, dieser Philipp musste mich für den Trottel der Nation halten. Womit er vermutlich auch nicht ganz falsch lag, denn sonst hätte ich mich auf diesen Radiozirkus gar nicht erst eingelassen.
»… Bikini oder Badehose, eine Taucherbrille und ein Quietscheentchen«, beendete ich in dem Bestreben, schnell wieder aufzulegen, hastig meine Aufzählung.
»Prima, Belinda. Eine Kleinigkeit hast du allerdings vergessen.«
»Vergessen?!« Langsam war ich der Verzweiflung nahe.
»Was macht man morgens als Erstes?«, versuchte Philipp, mir auf die Sprünge zu helfen.
Ich hatte keine Ahnung, was er nach dem Aufwachen
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