Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
hast doch noch gar keine.«
»Na eben drum.«
Ich hatte mit den Nieten dieser Welt genug Zeit verplempert, nun wartete ich sehnsüchtig auf den Hauptgewinn. Schluss mit den halben Sachen, keine faulen Kompromisse mehr!
Diese Spielchen hatte ich so was von satt! Man investierte ’ne Menge Zeit und Gefühle, und am Ende saß man doch wieder mit einer Familienpackung Kleenex und einem gebrochenen Herzen allein vorm Fernseher und zog sich irgendeinen Schmachtfetzen und Berge von Schokolade rein. Nach meinem letzten Beziehungsdebakel und der anschließenden Brigitte -Diät hatte ich mir geschworen, in Zukunft von Männern die Finger zu lassen. Natürlich nicht für immer, aber zumindest so lange, bis ich mir hundertprozentig sicher war, den Richtigen getroffen zu haben.
Ein paar Gramm näher an meiner Bikinifigur schleppte ich mich nach dem Joggen die Treppenstufen zu meiner Wohnung hinauf. Vielleicht hatten wir es mit dem Laufpensum vor lauter Urlaubseuphorie etwas übertrieben. Ich spürte bereits die ersten Vorboten des Muskelkaters. Mist! Auch der knackigste Po wirkt nur halb so sexy, wenn man ihn humpelnd zur Schau trägt …
Als ich stöhnend in die Hocke ging, um unter der Fußmatte meinen Schlüssel hervorzuholen, öffnete sich die Tür der Nachbarwohnung, und Frau Groß trat, mit einer kleinen Gießkanne bewaffnet, in den Hausflur.
Die alte Dame kümmerte sich nicht nur rührend um den Ficus benjamina, der das Treppenhaus auf unserer Etage verschönerte, sondern auch um mich. Seit ein paar Jahren wohnten wir Tür an Tür. Mit der Zeit war sie für mich zu einer Art Ersatzoma geworden. Meine Großeltern waren schon lange tot. Das Einzige, was mich an sie erinnerte, speziell an meine Großmutter väterlicherseits, waren meine riesigen Füße, die mit Ach und Krach in Größe 43 hineinpassten. Ich fand das unfair. Andere erbten von ihren Großeltern ein hübsches Häuschen oder wertvolle Klunker, ich lediglich diese Quadratlatschen.
Zum Glück war Frau Groß noch weit davon entfernt, das Zeitliche zu segnen. Die alte Dame erfreute sich bester Gesundheit. Sie wirkte rüstig und quietschfidel. Wann immer ich Zeit hatte, klingelte ich nebenan, um mit ihr ein Pläuschchen zu halten und eine Tasse Tee zu trinken. Liefen wir uns zufällig im Treppenhaus über den Weg, steckte sie mir des Öfteren ein Töpfchen selbst gemachte Marmelade oder ein paar gute Ratschläge zu. Aber damit war es bedauerlicherweise nun vorbei.
»Belinda – wie schön, dass wir uns treffen! Dann kann ich Ihnen gleich Lebewohl sagen.«
O nein, ich hasste Abschiede! »Ist es so weit?«
»Ja, morgen früh geht’s los.« Ihre kleinen Apfelbäckchen glühten vor Aufregung.
Zeitlebens hatte Frau Groß sparsam und bescheiden gelebt. Nun wollte sie es noch einmal richtig krachen lassen. Andere Damen ihres Alters wären vielleicht auf Weltreise gegangen oder hätten sich einen jungen Gigolo zugelegt. Frau Groß schwebte für ihren Lebensabend jedoch etwas ganz Spezielles vor: eine bunte Mischung aus Kluburlaub und Hanni und Nanni im Internat. Aus diesem Grund hatte sie sich in der Villa Kunterbunt, einem familiären Seniorenstift am Stadtrand, eingemietet. Und wie ich die quirlige alte Dame kannte, würde sie den Laden und dessen Bewohner ordentlich aufmischen.
»Frau Groß, Sie werden mir fehlen!«, raunte ich ihr ins Ohr, während wir uns umarmten.
»Sie mir auch, Kindchen, Sie mir auch.« Meine Ersatzoma drückte mich so heftig an sich, dass mir fast die Luft wegblieb. Dann schob sie mich brüsk zur Seite, wischte sich verstohlen eine vorwitzige Träne aus dem Augenwinkel und fuhr resolut fort: »So, jetzt wollen wir aber mal nicht sentimental werden. Außerdem weiß ich Sie ja in guten Händen. Habe ich es eigentlich schon erwähnt – der Vermieter ist einverstanden, dass mein Enkel meine Wohnung übernimmt. Wirklich ein ganz reizender Mensch.«
Nun ja, wenn man eine Schwäche für getürkte Nebenkostenabrechnungen und lauwarme Heizkörper hatte, dann musste man unseren Vermieter ganz einfach lieben. Bisher hatte Frau Groß ihn immer als Verbrecher, Wucherer oder Halsabschneider bezeichnet, aber noch nie als reizenden Menschen. Wie es zu diesem plötzlichen Sinneswandel gekommen war, konnte ich nicht ganz nachvollziehen.
»Sie werden bestimmt wunderbar mit Paul Junior klarkommen. Da bin ich mir ganz sicher.«
Ach so, der Enkel. Weil ihr Sohn ebenfalls Paul hieß, nannte Frau Groß ihren Enkel Paul Junior. Während ich dem großen
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