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Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Titel: Der katholische Bulle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian McKinty
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kettenrauchenden, kurz geratenen Marxistenfriseur. Er hatte mir, seit ich hierher gezogen war, bereits zwei Mal die Haare schneiden dürfen, was für Ulster schon ziemlich gut war und wohl auch erklärte, warum er noch im Geschäft war.
    Ich trat ein und setzte mich in den Wartebereich.
    Sammy war noch mit dem kümmerlichen Resthaar eines Kunden im braunen Anzug zugange. Er war nur eins vierundsechzig groß, und sein Kunde saß praktisch auf dem Fußboden.
    »Nationalismus ist doch nur ein Komplott des internationalen Kapitalismus, um die arbeitenden Massen daran zu hindern, sich zu vereinen. Die irische Unabhängigkeit spaltete die Arbeiterschicht in Dublin, Liverpool und Glasgow, was die Gewerkschaftsbewegung auf diesen Inseln vernichtete, als der Kapitalismus gerade in ein Krisenstadium kam …«, erläuterte der Friseur.
    Ich hörte weg und las die Kinorezensionen im Socialist Worker . Jäger des Verlorenen Schatzes hörte sich ganz vielversprechend an, trotz der »herablassenden Karikaturen der einfachen Arbeiterschaft in der Dritten Welt«.
    Als Sammy mit seinem Kunden fertig war, zeigte ich ihm die Noten.
    Sammy war nicht nur der letzte Friseur in Carrick, er war auch Geiger im Ulster Orchestra und bewahrte in seiner Wohnung über dem Laden zweitausend Klassik-Platten auf. Er hatte mir seine Sammlung gezeigt, als er von Paul bei CarrickTrax mitbekam, dass ich ab und zu klassische Musik kaufte und zehn Jahre lang gegen meinen Willen Klavier gespielt hatte.
    »Was hältst du davon?«, fragte ich ihn und hielt ihm die Fotokopie hin.
    »Was soll damit sein?«
    »Was für eine Oper ist das?«
    »Du enttäuschst mich, Sean. Ich dachte, du kennst dich aus«, sagte er und grinste verächtlich.
    Wie so viele Friseure, war auch Sammy vollkommen kahl, und diese glänzende Kugel schrie geradezu nach einem richtigen Benny-Hill-Patscher auf den Hinterkopf. Er hatte die Lippen fest zusammengepresst und wartete darauf, dass ich es sagte:
    »Nein, das hier erkenne ich nicht«, gab ich zu.
    »Puccini, La Bohème !«, verkündete er mit einem Lachen.
    »Aye, dachte ich mir schon, dass das Puccini ist«, meinte ich.
    »Das sagst du jetzt.«
    »Aber das Libretto fehlt, oder? Das ist doch nicht die Ouvertüre?«
    »Nein.«
    »Und du weißt nicht zufällig, wie der Text lautet?«
    »Natürlich weiß ich das«, dröhnte er und verdrehte die Augen.
    »Na, dann los!«
    » Che Gelida Manina, Se la lasci riscaldar. Cercar che giova? Al buio non si trova. Ma per fortuna è una notte di luna, e qui la luna l’abbiamo vicina «, sang er in einem überraschend angenehmen Bariton.
    »Sehr nett.«
    »Brauchst du eine Übersetzung?«
    »Ähm, irgendwas mit Händen, Schicksal, Mond?«
    »›Wie eiskalt ist dies Händchen! Lassen Sie es mich wärmen. Was nützt das Suchen? Im Dunkeln findet man nicht. Aber zum Glück haben wir eine Mondnacht, und hier haben wir den Mond ganz nahe.‹«
    Ich zog einen Stift aus der Tasche, ließ es mir diktieren.
    »Worum geht’s überhaupt?«, wollte Sammy wissen.
    »Ach, nichts Wichtiges«, antwortete ich und fuhr zum Revier zurück.
    Ich klopfte bei Chief Inspector Brennan an. Und als ich hereinkam, blickte er von seinem Kreuzworträtsel in der Daily Mail auf.
    »Sie scheinen besorgt, Sean, was ist denn?«, fragte er.
    »Wir stecken womöglich in Schwierigkeiten«, fing ich an.
    »Wie das?«
    »Ich fürchte, wir haben einen Sexualmord an der Hacke, möglicherweise sogar einen aufstrebenden Serienkiller.«
    »Setzen Sie sich.«
    Ich machte die Tür zu. Brennans Wangen glühten rot, und er war ein wenig angesäuselt.
    »Wir kommen Sie darauf?«, fragte er kalt und kurz und lehnte sich in einem sündhaft teuren Finn-Juhl-Lehnstuhl zurück. Ich brachte ihn auf den neuesten Stand, aber er blieb meiner These gegenüber skeptisch. »In Nordirland hat es noch nie einen Serienkiller gegeben.«
    »Nein. Bislang hat jeder, der so tickt, es geschafft, sich einer der beiden Seiten anzuschließen. Nach Herzenslust foltern und morden, aber für die ›Sache‹. Das hier sieht allerdings anders aus. Die sexuelle Seite des Verbrechens, die Noten. So etwas hatten wir bislang noch nicht.«
    »Ich habe bereits den Papierkram weitergeleitet, dass es sich um die Tötung eines Informanten gehandelt hat«, erklärte Brennan mit einer Spur Verärgerung.
    »Ich schließe nichts aus, Sir, aber im Moment glaube ich, es handelt sich um etwas anderes.«
    »Lassen Sie mich mal die Noten sehen.«
    Ich schob ihm die Fotokopie hin, unter

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