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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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von Menschen auf der Nordseite des großen Platzes des Reiches und fühlte sich kaum weniger allein als noch Augenblicke zuvor in den einsamen Vorhallen vor dem Parlamentssaal. Stimmen lobten ihn erneut, wegen seines Auftretens, gaben zu, zunächst, als er das Wort ergriff, den Atem angehalten zu haben, beglückwünschten ihn – wie Makuvan –, im richtigen Moment auf Idealismus gesetzt zu haben (wobei dieses Wort stets mit einem dezenten Lächeln weltläufiger Ironie unterlegt wurde). Einige redeten aufmunternd, manche in ernstem Ratschlag auf ihn ein, doch ihre Stimmen klangen ihm hohl und weit entfernt, wie ihn nicht betreffend. Seine Blicke dagegen huschten durch die Lücken im Wald der sich um ihn drängenden Gesichter und Gestalten und glitten über die Fassaden der hohen Gebäude, die den Platz begrenzten.  
    Wie sie ihn schon auf dem Hinweg zutiefst und doch zugleich nur verschleiert und auf einer halbbewussten Ebene beeindruckt hatten – weil seine Gedanken um die bevorstehende Debatte und Ernennung gekreist hatten und ihn immer wieder von der Wahrnehmung seiner Umgebung abgelenkt hatten. Er erkannte die Gebäude, halbbewusst, sein Verstand registrierte auf einer tieferliegenden, mechanisch arbeitenden Schicht ihre Namen und ihre Bedeutung. Er schritt durch das Labyrinth steingekerbter Schluchten, aus Fronten wertvollen Marmors und von bedeutenden Baukünstlern gestalteter, kunstvoll gegliederter Fassaden, und er begriff, dass er umgeben war von Bauwerken, die alle in der Literatur, in den Schriften der großen alten idirischen Autoren Erwähnung fanden, die alle irgendeine Rolle in irgendeinem Zusammenhang, irgendeiner Geschichte im großen Geflecht der idirischen Historie spielten. Eng gepackt standen sie hier beieinander, wie eine eigene in sich geschlossene Stadt, in der unter strengster Auslese nur die signifikantesten Bauten, die geschichtsträchtigsten Paläste, die bedeutendsten Kathedralen ihren Platz fanden, nur makellos durchgestaltetes Weiß, nur auf allerhöchster Ebene repräsentative, himmelsgreifende Architektur und steinern hallende Schicksalsträchtigkeit. Nur enge Gassen fanden zwischen ihrer Gedrängtheit Platz, nur schmale Lücken zwischen einem steingewordenen, monumentalen Zeugen der Geschichte, einem ehrfurchtsgebietenden Baudenkmal und dem anderen, alles eingefasst vom dem die Felsklippen des Moniassums säumenden Festungsring, der Krone.
    Auch als jetzt die ihn begleitenden Abgeordneten von ihm abließen, als er schließlich allein durch die Gassen des Moniassums zurück zum Trutzwerk des Torgebäudes ging, konnte er sich nicht wirklich mit seinem ganzen, klaren Bewusstsein auf die Anblicke, die sich ihm hier boten einlassen. Er wurde zwischen der hektischen Geschäftigkeit von Parlamentären, Beamten, Botschaftern, Delegationen, Lobbyisten, Repräsentanten unzähliger vordringlicher und lebenswichtiger Interessen und Heeren gewissenhafter Staatsdiener umhergetrieben wie ein Korn in einem trudelnden Sandrutsch, der sich in die Risse und Spalten der Architektur gewordenen Herrschaftskrone Idiriums hineinfraß.
    An einem anderen Tag, sagte er sich. Es wird noch Gelegenheiten geben, sich das Moniassum an einem dafür geeigneteren Tag anzusehen.
    Den Rest des Tages irrte er in der Stadt und zwischen den Gebäuden von Kasernen umher, bestrebt, niemandem von seinen Gefährten zu begegnen. Die Nacht, in der sie Kudai feiern wollten, lag ihm noch immer bleischwer in der Erinnerung. Er vermisste Czand. Wie gern hätte er sie jetzt an seiner Seite gehabt und alle seine Befürchtungen und untergründigen Anflüchte bei ihr abgeladen. Wie gern hätte er mit ihr über all die Verflechtungen und Fallstricke diskutiert. Wie wertvoll wäre ihm jetzt ihr sachkundiger Rat und ihre pragmatisch, realistische Sicht der Dinge. Doch Czand befand sich mit dem Gros der Truppen irgendwo in den Weiten von Vanarand, irgendwo zwischen Dagranaum und dem Riaudan-Pass und plagte sich mit den Beschwernissen und Komplikationen ab, die mit den Bewegungen großer Heereskörper verbunden waren. Und Ku Zwei, der kleine, struppige Bastard, war bei ihr, irgendwo im staubigen Dickicht von in hektischer Geschäftigkeit umgetriebenen Beinen oder auf irgendeinem Trosswagen, auf dem Czand ihn untergebracht hatte. Er dachte an Czand und Ku Zwei, er dachte an Crussav, Vortig und Keiler Drei, die auch irgendwo dort draußen bei den verschiedenen Kolonnen des marschierenden Heerbanns dabei waren. Er dachte an den kleinen

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