Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
Vom Netzwerk:
Kudai, der, wahrscheinlich ohne es zu begreifen oder wahrzunehmen, in die Mühlen der großen Politik geraten war. Genau wie er.  
    Versuch es zu begreifen, nimm mit klaren Sinnen wahr, was vorgeht. Nur so kannst du ein Mitspieler sein, statt eines Werkzeuges, das nur benutzt wird.  
    Spät, nachdem er in seinem Gästehaus auf den Kaprophrainen noch ruhelos in dem kleinen Schatz seiner mitgeführten Bücher gelesen oder besser ziellos von Stelle zu Stelle herumgeblättert hatte, fiel er schließlich in weiche Kissen und fand doch lange keinen Schlaf.  
    Am Morgen erwachte er schweißgebadet aus Träumen von Feuer.
    Kvay-Nan , dachte er. Es lässt dich wohl nach all der Zeit noch immer nicht los.

    Kudai sah nicht gut aus. Kudai sah frustriert aus.
    Irgendetwas war mit ihm. Er traf ihn, als er am nächsten Tag wieder auf dem Moniassum war, als er selber gerade grübelnd und gedankenversunken aus einer Seitengasse auf die Zentralachse der Varna Darnadeum abbiegen wollte. Er kam vom Gebäude der Heerespräfektur her, nicht der luftigen, vom Grün der Kaprophainen umgebenen Außenstelle, in der ihn Heerespräfekt Makuvan zum ersten Mal empfangen hatte, als er ihm das Angebot des Generalspostens unterbreitete, sondern aus einem hohen alten Klotz mit staubigen Fluren und Sälen, in dem all die Gremien und Verwaltungsorgane ihren Sitz hatten und ihre Kreise und Ausschüsse tagten. Es war ein harter, sich zäh über den Mittag dehnender Morgen gewesen, an dem er Fall für Fall all die Bedingungen und personellen Veränderungen durchboxen musste, die mit seiner Übernahme einer reformierten Sechzehnten einhergingen. Trotz Makuvans Vorarbeit, den von ihm unterzeichneten Versetzungsanträgen, dem Wust an Dekreten und Instruktionen wehrte sich die Maschinerie. Dies war immerhin ein Apparat des idirischen Staates, aus idirischen Beamten bestehend, der außerdem noch Teil des Heeres war. Der Unterschied zwischen den Leuten, die in der Präfektur saßen und den Beamtenoffizieren bestand in ihrer Sicht nur darin, dass jene dem idirischen Staat als Teil der Armee und im Feld dienten. Die Heerespräfektur und das System der Beamtenoffiziere war ein monolithischer Block, und Auric war der Eindringling darin. Entsprechend begegnete man ihm bei jedem Schritt, der doch eigentlich schon legitimiert sein sollte, mit regulariensturem Widerstand.
    Aurics Blick fiel zufällig auf Kudai, als er aus seinen finsteren Gedanken aufgeschreckt, vor einem vorbei ratternden Wagen zurückspringen musste. Sich wundernd, wer wohl Wichtiges in diesem Wagen sitzen mochte, wo doch Pferde und Gespanne eigentlich aus den Straßen des Moniassumsberges verbannt waren, schaute er ihm entlang der Straße hinterher und blickte in Kudais Gesicht. Auf dem heute gar kein Grinsen zu sehen war. Nach seinen eigenen Erfahrungen an diesem Tag konnte er sich lebhaft vorstellen, was bei Kudai – als neu ernanntem Führer der Föderiertenbrigade – der Grund dafür sein mochte.
    In der Nähe der mächtig aufragenden Trutzburg des Portalgebäudes fanden sie einen kleinen Park, durch Bäume leidlich abgeschirmt von den ihn einzäumenden Reihen geschichtsschwerer Gebäudeklötze, und setzten sich dort auf eine Steinbank. Sie tauschten kurz die Umrisse ihrer Erfahrungen aus, machten sich einer beim anderen Luft, gaben in aufgebrachter Erregung ein paar besonders markante oder enervierende Details zum Besten. Dann war die erste Welle der Empörung verraucht, sie saßen nebeneinander und ein Moment der Stille trat ein.
    „Und, hast du jetzt endlich genug gesehen von deinem großartigen Idirium?“ Kudai sah ihn von der Seite an. „Hast du schon die Nase voll von den ganzen Intrigen, der ganzen Korruption und Heuchelei? Es ist doch überall der gleiche Mist, egal, was man ihm für Namen gibt, Königreich, Republik des Reiches Idirium, Föderierter Staat. Wer nach oben kommt, macht die Regeln.“
    „Jetzt hörst du dich an wie Jag.“
    Während ihrer Unterhaltung hatte Kudai eine längliche Holzschatulle aus seiner Soldatentasche genommen und sie auf die Bank neben sich gelegt. Jetzt strich er gedankenverloren über die polierte Fläche des Deckels.
    „Jag war betrunken, neulich Abend, als wir Nefrakus Hals gerettet haben. Ich seh‘ das alles nicht als eine Legitimation zur eigenen Korruption. Aber man muss doch sehen – du musst doch sehen, dass das Ideal Idirium auf ziemlich wackeligen Beinen steht. Wir haben im Osten dabei geholfen, einen Aufstand niederzuschlagen, bei

Weitere Kostenlose Bücher