Der Keil des Himmels
dem es darum ging, dass die Bevölkerung bestimmter Provinzen, die ausgebeutet und über den Tisch gezogen wird, das nicht länger hinnehmen wollte. Die Reichen machen sich die Taschen voll, die unten werden abgezogen. Alles unter dem wunderbaren Deckmantel der Republik.“
„Mag sein, Kudai. Du hast vollkommen Recht. Ich bin nicht blind, ich sehe das auch. Idirium, seine Realität, ist nicht ideal. Weil die Menschen immer korrupt, gierig und selbstsüchtig sind. Aber Idirium ist das Beste, was wir haben. Alles andere ist schlimmer. Du hast erlebt, was in Yirkenien los ist. Und ich will nie mehr nach Valgarien zurück. Mittelnaugarien, Vorsekk, Balthruk – da genauso. Da draußen ist die reine Barbarei. Da herrscht nur das Gesetz des Stärkeren und die dünn bemäntelte Willkür von Raubbaronen und Wegelagerern, die ein Stückchen Land mit Mord und Schrecken unterworfen und sich selber dann irgendeinen tollen Titel gegeben und eine Krone auf den Kopf gesetzt haben. In diesen Ländern gibt es nur Gewalt und erbarmungsloses Elend. Idirium ist das Beste, was wir haben.“
Auric sah, wie Kudai seine Hand fest auf der Holzschatulle neben sich ruhen ließ.
„Und wenn es etwas Besseres gäbe?“, fragte er, den Blick wieder zu Auric hebend, nach kurzer Pause.
Jetzt erst erkannte Auric, was Kudai da neben sich liegen hatte. Er hatte schon einmal eine ähnliche Schatulle gesehen. Bei General Kelams Majordomus Daruun. Als der ihm das Kenan gelegt hatte. Daruun hatte die Orakelsteine des Aidiras-Mysteriums in einer ähnlichen Holzkiste aufbewahrt. Also war auch Kudai ein Anhänger dieses Zweiges des Inaimismus.
„Ach Kudai, bei allem Respekt vor deinem Glauben. Aber ich interessiere mich nicht besonders für Religion. Mir geht es um diese Welt, und wie wir in ihr etwas zum Besseren verändern können.“
„Und wenn es mir dabei auch um diese Welt geht?“ Kudai sah ihn mit einem seltsamen Blick an. So als versuchte er, für sich auf etwas eine Antwort zu finden. Als quäle er sich mit etwas herum und versuchte, einen Weg aus der Misere zu finden. So als wollte er seine eigene Unsicherheit dadurch verlieren, dass er jemanden anderes, ihn, seinen Freund, von etwas, woran er sich selber festhielt, überzeugte. Er sah, wie Kudai anhob, etwas zu sagen.
Eine religiöse Erweckung war das Letzte, was er jetzt brauchte.
„Etwas Besseres? Ich wüsste nicht, was das sein sollte“, schnitt er ihn schroff ab. Es war ihm irgendwie vage peinlich, den doch ansonsten ewig grinsenden Kudai, den kleinen Mistkerl sich mit so einem Zeug herumschlagen und damit auch noch hausieren zu sehen. Es war fast so, als wollte er ihm gerade einen unsittlichen Antrag machen.
„Idirium ist das Beste was wir haben“, fuhr er fort, bevor Kudai noch etwas erwidern und sich zum Narren machen konnte. „Wir haben uns dieses Ideal ausgesucht. Was wir tun können, ist, daran arbeiten, dass die Wirklichkeit sich diesem Ideal annähert. Oder dass es nicht auseinander fällt. Aber dafür ist es wichtig, dass wir dabei bleiben. Wie klein und zweifelhaft unser Beitrag auch immer sein mag. Ich halte nichts davon, mitten im Rennen auf eine anderes fragwürdiges Pferd aufzuspringen. Wenn wir das tun, fällt alles auseinander, und Idirium wird genauso ein mieses, verkommenes, barbarisches Land wie alle anderen auch.“
„Wow, das war ja eine richtige Rede.“ Da war es, Inaim sei Dank, wieder, das alte Grinsen um Kudais Lippen, auch wenn es noch etwas gezwungen aussah. „So siehst du das? Trotz allem. Junge, dann kann ja die idirische Armee froh sein, dass sie jemanden wie dich hat. Wer hätte das von einem ungewaschenen Barbaren aus dem tiefsten Valgarien gedacht?“
„Oder von einem ziegenfickenden Yirkenier.“
„Die Sechzehnte ist schon ein abgefahrener, irrer Haufen. Idirium hat so etwas wie uns eigentlich gar nicht verdient“, meinte Kudai. Gut, der Kleine kam wieder in seinen Tritt.
„Die Sechzehnte ist der Schrecken ihrer Feinde.“
„Und der ganzen verkalkten Beamtensäcke in ihren verdammten Präfekturen und Amtsstuben.“
„Stell dir die Kerle auf dem Schlachtfeld vor und die ganze Schinderei in den Amtsstuben wird dir leichter fallen.“ Er boxte dem grinsenden kleinen Mistkerl spielerisch gegen die Schulter.
„Wenn ich das tue, wünsche ich mir nur umso mehr, man könnte es sich den Feind aussuchen, dem man auf dem Schlachtfeld gegenübersteht. Auf die Erbsenzähler und Paragraphenreiter würde ich mit allergrößten Vergnügen
Weitere Kostenlose Bücher