Der Keil des Himmels
mein Schwertbataillon losschicken.“
Da war es wieder, das alte Grinsen.
So gefiel ihm der Kleine schon wieder besser.
Kudai nahm ihn am gleichen Abend beiseite und erzählte ihm, ein kleines Vögelchen habe ihm geflüstert, dass man – von diesem unbemerkt – eine Schlinge um Nefrakus Hals gelegt habe, und dass man sie in dieser Nacht mit einem Ruck zuziehen wolle.
„Er läuft genau in eine Falle rein. Ich habe ihn nicht mehr erreichen können; keiner weiß, wo er sich rumtreibt.“
„Wer?“
„Wer dahinter steckt? Die gleichen, die ihm neulich ans Leder wollten. Nefraku hat geglaubt, das würde ihnen eine Lehre sein, aber Pustekuchen. Die wollen ihn jetzt erst recht abservieren. Die Toten am Ziamur-Ufer können sie ihm – können sie uns – nicht anhängen. Keine Beweise, keine Zeugen. Und wahrscheinlich hat Nefraku wirklich Recht, und den Kerlen kräht kein Hahn nach, und die Reichsgarde ist froh, dass es von denen ein paar weniger gibt. Außerdem führt die Spur von den Toten zu ihren Auftraggebern, also werden sie den Teufel tun, daran zu rühren. Stattdessen haben sie über einen Spitzel der Reichsgarde gesteckt, wo und wann einer von Nefrakus Gunwaz-Deals über die Bühne geht. Die Reichsgarde wird auf ihn warten und ihm den Arsch aufreißen.“
„Wo ist Jag?“
„Ebenfalls nicht aufzutreiben. Und ich muss weg, ich kann Nefraku nicht warnen. Ich muss zu einem dringenden Treffen wegen der Strukturierung der Föderierten-Brigade. Unmöglich abzusagen. Diesmal ausnahmsweise kein Verwaltungskram sondern wirklich wichtig. Also bleibst du übrig. Sollte keine große Sache sein. Du musst ihn warnen, mehr nicht. Fang ihn ab, bevor er in die Falle läuft, Zeit genug hast du.“
Also lief Auric, innerlich zerrissen und voller Wut, durch die Gassen des Neuhafens von Idirium zu jenem Ort, den Kudai ihm genannt hatte. Die Lagerhäuser und Gebäude von Manufakturen zogen in der hereinbrechenden Dämmerung wie Schatten an ihm vorbei, seine Füße trugen ihn so schnell es ging über Kopfsteinpflaster und Pflasterplatten, zwischen Pulks von der Arbeit heimkehrender Schauerleuten und Manufaktur- und Lagerarbeitern hindurch. Ihre erstaunten und neugierigen Blicke folgten ihm ob seiner Eile, zumal er allein war, von seiner Erscheinung her nicht so recht in dieses Viertel passen wollte – und ein Langschwert quer über den Rücken geschnallt trug. Eigentlich hatte er, so wie Kudai gesagt hatte, genügend Zeit – der Deal sollte erst zwei Stunden nach Sonnenuntergang stattfinden –, aber das verwinkelte Terrain des Neuhafens machte ihm seine Aufgabe schwer.
Der Neuhafen hatte die Schauerbank als den eigentlichen Binnenhafen Idiriums, das Viertel der Kaufleute und Hafenarbeiter abgelöst, nachdem der Kanal, der den Ziamur direkt mit dem Silbermeer verband, vollendet worden war. Statt in gerader Richtung zum Meer zu fließen, zwang ein geringer Höhenanstieg, eine Idirium im Süden säumende Höhenschwelle, dem Fluss einen anderen Weg auf als geradewegs noch das letzte kurze Stück südwärts bis zum Meer zu nehmen. Stattdessen beschrieb der Ziamur bei Idirium zunächst einen Schwenk in westlicher Richtung, um dann fast das gesamte flache Land der idirischen Provinz zu durchziehen, bevor er in einer erneuten Kehre endlich den Weg zu den weiten Wassern des Binnenmeeres fand. Dies hatte natürlich für den nicht unerheblichen Warenverkehr einer Metropole wie Idirium stets eine gewaltige und lästige Beeinträchtigung dargestellt. Nach dem Verladen auf flusstaugliche Schiffe stand der für Idirium bestimmten Fracht ein langer gemächlicher Umweg gegen den Strom durch die ganze Landschaft der Provinz bevor, vorbei an weiten, fruchtbaren Ebenen brauner, satter Erde, auf denen Obst und Früchte auf Üppigste gediehen, vorbei an Uferhängen voller Wein und Olivenhaine. Der Weg an sich war schon lang genug, doch es kam hinzu, dass die Pfründe, die sich die Zusammenschlüsse und Kartelle der Flussschiffer im Lauf der Zeit zu sichern gewusst hatten, den Preis der Waren unnötig in die Höhe trieben. Der ebenfalls kostenträchtige Landweg stellte keine wirkliche wünschenswerte Alternative dar. Der Bau eines Kanaldurchstichs von der Biegung des Ziamur direkt zum Meer hin war also längst überfällig gewesen. Dass er jedoch tatsächlich zustande kam, stellte hauptsächlich einen nicht geringen Sieg des Fortschritts und der Vertretung der Interessen des Gemeinwohls über den Widerstand von Filz und die
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