Der Keil des Himmels
Frage. Wenn er ihn, Auric Morante, mit dem Namen Orick Wahnhammer zusammenbringen konnte. Dass Jag das konnte, wussten sie beide.
Jag sah ihn mit höhnischem Grinsen an. „Du hast das Richtige getan. Einer weniger von dem Pack.“ Er blinzelte ihm boshaft zu. „Dafür hast du bei mir einen gut.“ Seine Hand kam langsam vom Langmesser hoch.
„Und du hast Glück,“ sagte Jag schließlich mit hämisch knirschendem Raubtiergrinsen, „dass ich mich heute noch nicht kirre gesoffen hab.“
Auric raffte sich zusammen. „Jag, ich will dir nichts. Ich mach mir Sorgen um dich.“
„Ach was?“
„Das mit dem Saikranon höre ich zum ersten Mal.“
„Klar. Magie und so ein Zeug ist ja nur Aberglaube. Was soll ein dummer Vraigasse mit seinen zurückgebliebenen Hirngespinsten zu so einem gebildeten und aufgeklärten Kerl wie dir kommen. Und sich auslachen lassen.“ Jag schnaubte höhnisch. „Herr Valkaersring.“
„Jag, wir haben zusammen in Kvay-Nan im Kampf um die Spitzohren-Festung eine ganze Menge gesehen. Als ich mit Ikun den Tunnel freigemacht habe … ich hab‘ das Ding gesehen, den Wächtergeist. Ich weiß, da ist was. Die Kinphauren sind nicht sauber, da geht nicht alles mit rechten Dingen zu. Ich weiß, wovon du sprichst.“
Auric kam in den Sinn, dass er Jag vor der Zeit seiner Missionen im Saikranon zwar trinkend erlebt hatte – natürlich, getrunken hatten sie alle, warum auch nicht –, aber erst danach hatte er erlebt – und immer öfter auch von anderen gehört –, dass er sich so systematisch zugeschüttet hatte.
„Jag, was ist mit dir damals passiert?“
Jag wandte sich von Auric ab. „Ach, vergiss es …“
Auric sah ihm nach, wie er aus dem Schatten des Überbaus trat und schweigend die Gasse entlang stapfend schließlich hinter einer Ecke verschwand.
Als er am Abend in sein Gästehaus auf den Kaprophainen zurückkehrte, fand er einen kleinen Stapel von Senphoren-Botschaften auf seinem Schreibtisch vor, die für ihn während des Tages abgeliefert worden waren.
Die meisten davon waren offizieller Natur. Er erkannte es an der Reihe der Stempelsymbole unter dem Gildensiegel der Senphoren, dem lauschenden und rufenden Turm. Rasch überflog er sie. Sie betrafen die Fortschritte der Truppenverschiebung, die einzelnen sachlichen Berichte seiner Offiziere über den Verlauf des Marsches und den Stand ihrer Truppen. Er fand darunter aber auch einen Brief von Czand, der unter dem amtlichen Signet ein Zeichen trug, das ein persönliches Addendum kennzeichnete. Er nahm sich vor, am nächsten Morgen zu den anderen Botschaften kurze Antworten zu verfassen und sie dann selber auf seinem Gang in das Gildenhaus zu den Geistesboten mitzunehmen. Dann brach er neugierig das Siegel der von Czand stammenden Botschaft, streifte nur mit flüchtigem Blick die Stichworte des offiziellen Teils, um sich dann neugierig dem Nachtrag zuzuwenden.
Wie er vermutet hatte, war ihre Botschaft nicht nur privater und direkter, sie ging auch wesentlich ausführlicher auf die im offiziellen Teil erwähnten Punkte ein. Selbst wenn sie keinen intimeren Ton anschlug, weil die Botschaft – Senphoren-Eid hin oder her – noch immer über Mittler ging, so spürte er die Wärme dennoch zwischen den Worten und Zeilen durch.
„Wir liegen jetzt kurz vor dem Riaudan-Pass“, so schrieb sie, „von dem uns Boten bereits berichtet haben, dass er schneefrei ist. Uns stehen zwar die Beschwernisse des Aufstiegs bevor, doch die Truppen brennen darauf, endlich die endlosen Ebenen hinter sich zu lassen, erst recht wo die Kette der Drachenrücken jetzt deutlich sichtbar wie eine graue Barriere am Horizont vor uns aufragt.
Stell dir vor, wir haben einen ‚Wanderer‘ gesehen. Es war eine von Crussavs Einheiten, die ihn auf einem ihrer Ritte, entfernt vom Haupttrupp entdeckt hat. Zuerst hielten sie ihn für eine Felssäule, doch dann stellten sie fest, dass sich dieser Fels bewegte, zwar langsam, doch auf einem klaren, schnurgeraden Kurs. Ich bin ihm mit den Haupttrupps recht nahe gekommen. Wir konnten ihn über Stunden beobachten, wie wir ihm näher kamen und uns dann wieder von ihm fort bewegten. Eine einsame, schlanke, hochgewachsene Gestalt, die die Leere des weiten Landes durchmaß. Sie muss erheblich größer als ein Mensch gewesen sein, hatte zwar, so weit ich das aus der Ferne erkennen konnte, die Proportionen eines Menschen, doch waren diese unnatürlich in die Länge gezogen.
Bisher hatte ich halb geglaubt, die Wanderer
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