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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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meisten seiner Kollegen zu Hause war.
    Der Kampf um den Staatshaushalt tobte weiter.
    »Mist«, fluchte ich, während ich einen Kessel Wasser auf den Herd stellte und in einem Schrank nach Tee suchte. »Mist, Mist, Mist.«
    Es war kurz vor fünf, als ich Wesley anrief. Zumindest in Quantico wurde noch gearbeitet.
    »Gott sei Dank, daß überhaupt noch irgendwo jemand ans Telefon geht«, platzte ich heraus, als seine Sekretärin abnahm.
    »Die sind einfach noch nicht dahintergekommen, wie entbehrlich ich bin«, sagte sie.
    »Ist er da?« fragte ich.
    Wesley kam ans Telefon und klang so energiegeladen und gutgelaunt, daß es kaum auszuhalten war.
    »Du hast kein Recht, so guter Dinge zu sein«, sagte ich.
    »Du hast die Grippe.«
    »Ich weiß nicht, was ich habe.«
    »Aber es ist doch eine Grippe, oder?« Er war besorgt, und seine Stimmung sank.
    »Ich weiß es nicht. Das wäre reine Spekulation.«
    »Ich will ja nicht den Teufel an die Wand malen ...«
    »Dann tu's auch nicht«, schnitt ich ihm das Wort ab.
    »Kay«, sagte er mit fester Stimme. »Du mußt den Tatsachen ins Auge sehen. Was, wenn es keine Grippe ist?«
    Ich schwieg. Diesen Gedanken ertrug ich einfach nicht.
    »Bitte«, sagte er. »Tu das nicht einfach so ab, wie du es praktisch mit allem machst, was dich persönlich betrifft.«
    »Jetzt reicht's mir aber bald«, fuhr ich ihn an. »Erst komme ich auf diesem gottverdammten Flughafen an, und Marino will mich nicht in seinem Wagen haben, dann nehme ich ein Taxi, und der Fahrer denkt, wir hätten eine Affäre, von der mein reicher Mann nichts weiß, und die ganze Zeit habe ich Fieber und fühle mich grauenhaft und will bloß nach Haus.«
    »Der Taxifahrer glaubt, ihr hättet eine Affäre?«
    »Ach, vergiß es.«
    »Woher willst du denn wissen, daß du die Grippe hast? Daß es nicht irgendwas anderes ist?«
    »Ich habe keinen Ausschlag. Ist es das, was du hören willst?«
    Es folgte ein langes Schweigen. Dann sagte er: »Und was ist, wenn du noch Ausschlag bekommst?«
    »Dann werde ich vermutlich sterben, Benton.« Ich hustete wieder. »Du wirst mich wahrscheinlich nie wieder anfassen.
    Und wenn die Krankheit ihren Lauf nimmt, würde ich nicht wollen, daß du mich je wiedersiehst. Triebtäter, Serienmörder, Leute, die man im Notfall einfach abknallen kann - damit läßt sich umgehen. Die unsichtbaren Feinde der Gesellschaft sind es, die ich immer gefürchtet habe. Sie können dich erwischen, obwohl die Sonne scheint und du mitten unter Menschen bist. Du brauchst nur ein Glas Limonade zu trinken, und schon hast du den Erreger mit runtergeschluckt. Ich bin gegen Hepatitis B geimpft. Aber das ist nur eins von unzähligen todbringenden Viren. Was ist mit Tuberkulose und HIV, Hanta und Ebola? Was ist mit diesem hier? Mein Gott.« Ich holte tief Luft. »Mit einem Rumpf hat es angefangen, und wo stehen wir jetzt?«
    »Ich habe von den beiden neuen Fällen gehört«, sagte er.
    Seine Stimme war jetzt leise und sanft. »Ich kann in zwei Stunden bei dir sein. Möchtest du mich sehen?«
    »Im Moment möchte ich niemanden sehen.«
    »Ist mir egal. Ich bin schon unterwegs.«
    »Benton«, sagte ich, »bitte nicht.«
    Aber er ließ sich nicht davon abbringen. Als er mit seinem kehlig schnurrenden BMW in meine Einfahrt einbog, war es fast Mitternacht. Ich empfing ihn an der Tür, ohne ihn zu berühren.
    »Komm, wir setzen uns vor den Kamin«, sagte er.
    Er war so nett, mir noch eine Tasse koffeinfreien Tee zu machen. Ich saß auf der Couch, er auf einem Sessel, und im Kamin züngelten Gasflammen um einen künstlichen Baumstamm. Das Licht hatte ich heruntergedimmt.
    »Ich glaube, daß du mit deiner Theorie recht hast«, sagte er, während er sich an einem Cognac festhielt.
    »Vielleicht wissen wir morgen mehr.« Schwitzend und gleichzeitig bibbernd starrte ich ins Feuer.
    »Das ist mir im Moment alles herzlich egal.« Er sah mich grimmig an.
    »Das darf es aber nicht.« Ich wischte mir mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
    »Doch.«
    Ich schwieg, während er mich mit unverwandtem Blick ansah.
    »Du bist es, um die ich mir Sorgen mache«, sagte er. Ich reagierte immer noch nicht. »Kay.« Er packte mich am Arm.
    »Faß mich nicht an, Benton.« Ich schloß die Augen. »Bitte nicht. Ich will nicht, daß du auch noch krank wirst.«
    »Siehst du, daß du krank bist, ist doch eigentlich ganz praktisch. Jetzt hast du einen Grund, dich nicht von mir anfassen zu lassen. Und du kannst dich als die edelmütige Ärztin aufspielen,

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