Der Keim des Verderbens
eingesammelt und in mein Büro gebracht. Ich zog Baumwollhandschuhe an, setzte eine Brille auf und untersuchte das, welches für mich bestimmt war. Es handelte sich eindeutig um eine Warenprobe, die als Postwurfsendung frankiert war. Daß so eine Sendung an jemanden persönlich adressiert war, fand ich höchst ungewöhnlich. Als ich in das Röhrchen hineinschaute, fand ich einen Gutschein für das Spray. Gegens Licht gehalten, konnte man erkennen, daß die Ränder kaum merklich unegal waren, als sei der Gutschein nicht mit einer Maschine, sondern mit einer Schere ausgeschnitten worden.
»Rose?« rief ich. Sie kam in mein Büro.
»An wen war das Röhrchen adressiert, das Sie bekommen haben?« fragte ich sie.
»An alle Haushalte, glaube ich.« Sie wirkte gestreßt.
»Dann ist meins das einzige, auf dem ein Name steht.«
»Ich glaube schon. Das ist ja furchtbar.«
»Allerdings.« Ich nahm das Röhrchen in die Hand. »Sehen Sie sich das an. Die Buchstaben haben alle die gleiche Größe, und der Poststempel befindet sich auf demselben Aufkleber wie die Adresse. So was ist mir noch nicht untergekommen.«
»Als ob es aus einem Computer stammt«, sagte sie mit wachsender Bestürzung.
»Ich gehe rüber ins DNS-Labor.« Ich stand auf. »Rufen Sie bitte gleich beim USAMRIID an und sagen Sie Colonel Fujitsubo, wir müssen eine Videokonferenz abhalten - zwischen ihm, uns, den CDC und Quantico. Und zwar sofort.«
»Wo soll die stattfinden?« fragte sie, als ich aus der Tür eilte.
»Nicht hier. Fragen Sie Benton.«
Draußen rannte ich die Straße hinunter, vorbei an meinem Parkplatz, und überquerte die Fourteenth Street. Dann betrat ich das Seaboard Building, in das vor ein paar Jahren das DNS- und andere forensische Labors umgezogen waren. Vom Portier aus rief ich die Abteilungsleiterin Dr. Douglas Wheat an, die einen männlichen Vornamen bekommen hatte, obwohl sie eine Frau war.
»Ich brauche ein abgeschlossenes Lüftungssystem mit einer Luftabzugshaube«, erklärte ich.
»Kommen Sie mit.«
Ein langer, stets auf Hochglanz gewienerter Gang führte zu einer Reihe von Labors hinter Glaswänden. Drinnen waren Wissenschaftler mit Pipetten, Reagenzien und radioaktiven Sonden damit beschäftigt, GencodeSequenzen dazu zu bringen, ihre Identität zu enthüllen. Wheat, die mit beinahe ebensoviel Papierkram zu kämpfen hatte wie ich, saß an ihrem Schreibtisch und tippte etwas in ihren Computer. Sie war eine kräftige, attraktive Frau, vierzig Jahre alt und von freundlichem Wesen.
»Was haben Sie denn diesmal für ein Problem?« Sie lächelte mich an und beäugte dann meine Tüte. »Ich wage es kaum zu fragen.«
»Könnte ein verseuchtes Produkt sein«, sagte ich. »Ich muß etwas davon auf einen Objektträger sprühen, aber es darf auf gar keinen Fall in die Luft geraten, und weder ich noch sonst irgend jemand darf etwas davon abbekommen.«
»Was ist es denn?« Sie wurde sehr ernst und stand auf.
»Möglicherweise ein Virus.«
»So eins wie das auf Tangier?«
»Ich fürchte, ja.«
»Meinen Sie nicht, daß es klüger wäre, das an die CDC zu schicken und dort ...«
»Douglas, natürlich wäre das klüger«, erklärte ich geduldig und hustete wieder. »Aber wir haben keine Zeit. Ich muß es sofort wissen. Wir haben keine Ahnung, wie viele von diesen Proben möglicherweise bereits in den Händen der Verbraucher sind.«
In ihrem DNS-Labor gab es einige Luftabzugshauben mit geschlossenem Luftkreislauf, umgeben von gläsernen Schutzwänden, denn hier wurde Blut getestet. Sie führte mich an einen Arbeitsplatz im hinteren Teil des Raums. Wir setzten Masken auf und zogen Handschuhe an, und sie gab mir einen Laborkittel. Sie schaltete ein Gebläse ein, das die Luft in die Abzugshaube sog und dann durch HEPA-Filter schickte.
»Fertig?« fragte ich und nahm das Gesichtsspray aus der Tüte. »Wir müssen uns ranhalten.«
Ich hielt einen sauberen Objektträger und die kleine Dose unter die Abzugshaube und sprühte.
»Und jetzt tauchen wir die Spraydose in eine zehnprozentige Bleichmittellösung«, sagte ich, als ich fertig war. »Dann tüten wir sie dreifach ein und schicken sie und die anderen zehn nach Atlanta.«
»Wird gemacht«, sagte Wheat und verließ den Raum.
Der Objektträger war im Nu trocken. Ich betropfte ihn mit Nicolaou-Färbung und legte ein Deckgläschen obendrauf.
Als Wheat mit der Bleichmittellösung zurückkam, war ich bereits dabei, mir das Präparat unterm Mikroskop anzuschauen. Sie tauchte das
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