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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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übergelaufen sind. Aber wenn man versucht, die Umweltbehörde zu mobilisieren ...«
    »So was nennt man Mission Impossible«, sagte jemand sarkastisch, als die Türen sich wieder öffneten.
    »Vielleicht existiert die Behörde ja gar nicht mehr«, schimpfte Martin. »Bei uns gehen vierzehntausend Anrufe pro Jahr ein, und wir haben nur zwei Telefonisten. Im Moment haben wir sogar gar keinen. Ans Telefon geht jeder, der gerade vorbeikommt. Ich eingeschlossen.«
    »Bitte schieben Sie die Sache nicht auf die lange Bank«, sagte ich, als wir den Empfang erreichten.
    »Keine Sorge.« Jetzt hatte er Blut geleckt. »Ich habe drei meiner Jungs herbeordert, die gleich extra von zu Hause herkommen.«
    Eine halbe Stunde lang wartete ich am Empfang und telefonierte. Dann kam endlich mein Taxi. Schweigend ließ ich mich durch die Stadt kutschieren und starrte dabei aus dem Fenster auf Plätze aus poliertem Granit und Marmor, auf Sportanlagen, die mich an die Olympiade erinnerten, und auf Gebäude aus silbrigem Metall und Glas. Atlanta war eine Stadt, in der alles immer höher hinauswollte, und die verschwenderischen Fontänen wirkten wie Symbole der Großzügigkeit und Kühnheit. Ich fühlte mich leicht benommen und fröstelte. Dafür, daß ich den Großteil der Woche im Bett verbracht hatte, war ich ungewöhnlich müde. Als ich auf dem Delta-Flugsteig ankam, tat mir bereits der Rücken weh. Mir wollte einfach nicht warm werden, ich konnte nicht mehr klar denken, und ich wußte, daß ich Fieber hatte.
    Bei meiner Ankunft in Richmond war ich richtig krank. Als Marino mich am Flughafen abholte, bekam er sofort einen panischen Gesichtsausdruck.
    »Oje, Doc«, sagte er. »Sie sehen ja furchtbar aus.«
    »So fühle ich mich auch.«
    »Haben Sie Gepäck?«
    »Nein. Haben Sie Neuigkeiten?«
    »Ja«, sagte er. »Ein kleines Bonbon, über das Sie sich ganz schön ärgern werden. Ring hat gestern abend Keith Pleasants verhaftet.«
    »Mit welcher Begründung?« rief ich aus und bekam einen Hustenanfall.
    »Fluchtversuch. Ring behauptet, er sei ihm nach der Arbeit von der Deponie aus gefolgt und habe versucht, ihn wegen Geschwindigkeitsüberschreitung anzuhalten. Pleasants ist angeblich weitergefahren. Deshalb sitzt er jetzt im Knast. Die Kaution wurde auf fünf Riesen festgesetzt. Kaum zu glauben, was? So schnell kommt der da nicht wieder raus.«
    »Reine Schikane.« Ich putzte mir die Nase. »Ring hat es auf ihn abgesehen. Und auf Lucy. Und auf mich.«
    »Jetzt mal im Ernst: Vielleicht hätten Sie besser in Maryland bleiben sollen. Sie gehören ins Bett«, sagte er, als wir die Rolltreppe betraten. »Nichts für ungut, aber ich werd' mich doch bei Ihnen nicht anstecken, oder?«
    Marino hatte eine Todesangst vor allem, was er nicht sehen konnte, egal, ob es eine Strahlung oder ein Virus war.
    »Ich weiß nicht, was ich habe«, sagte ich. »Vielleicht die Grippe.«
    »Als ich das letzte Mal die Grippe hatte, lag ich zwei Wochen flach.« Er verlangsamte seinen Schritt und fiel hinter mir zurück. »Wer weiß, vielleicht haben Sie sich auch was ganz anderes weggeholt.«
    »Dann kommen Sie mir nicht zu nahe, fassen Sie mich nicht an und küssen Sie mich nicht«, sagte ich knapp.
    »Keine Sorge.«
    So ging es immer weiter, während wir in den kalten Nachmittag hinaustraten.
    »Hören Sie, ich werd' mit dem Taxi nach Haus fahren«, sagte ich. Ich war so wütend auf ihn, daß ich den Tränen nahe war.
    »Das sollen Sie aber nicht.« Marino sah ängstlich aus und wirkte fahrig.
    Ich streckte meine Hand in die Luft, schluckte hart und wandte mein Gesicht ab, als ein Blue-Bird-Taxi ausscherte und auf mich zusteuerte.
    »So eine Grippe kann schließlich niemand gebrauchen, weder Sie noch Rose«, sagte ich wutentbrannt. »Wissen Sie, ich hab' fast kein Geld mehr. Es ist nicht zum Aushalten. Sehen Sie sich mein Kostüm an. Glauben Sie etwa, ein Autoklav bügelt die Sachen und parfümiert sie? Meine Strumpfhose ist hinüber. Ich stehe hier ohne Mantel und Handschuhe, und wie kalt mag es wohl sein?« Ich riß die Tür zum Fond des Taxis auf. »Null Grad?«
    Marino starrte mich an, während ich einstieg. Er reichte mir einen Zwanzig-Dollar-Schein und gab dabei acht, daß seine Finger meine nicht streiften.
    »Soll ich etwas für Sie einkaufen?« rief er mir nach.
    Meine Kehle schnürte sich zusammen, und meine Augen wurden feucht. Ich wühlte Taschentücher aus meiner Handtasche, putzte mir die Nase und weinte still vor mich hin.
    »Ich will Sie ja nicht

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