Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
ihrem Unterhemd bekleidet schritt sie in dem kleinen Zimmer auf und ab und staunte, wie nah sie und Braedon sich gekommen waren. Außerdem fragte sie sich, was sie falsch gemacht haben mochte, dass er so abrupt die Kammer verlassen hatte. Ihr Mund brannte noch von seinen Küssen, genauso wie die geheimste Stelle ihres Körpers. Ihre Leidenschaft erschreckte sie; das Gefühl war so fremd und neuartig und unterschied sich von sämtlichen Empfindungen, die sie bislang verspürt hatte. Jetzt, da er fort war, kam sie sich leer vor und war verwirrt.
Sie konnte nicht sagen, was genau sie für Braedon empfand. Sie wusste nur, dass sie ihn jetzt furchtbar, beinahe schmerzlich vermisste und das Bedürfnis verspürte, in seiner Nähe zu sein. Daran konnte auch sein finsterer und grüblerischer Gesichtsausdruck nichts ändern, mit dem er sie zuletzt angesehen hatte.
Sie wollte sich für all das entschuldigen, womit sie ihn womöglich enttäuscht hatte, und als sie vorsichtige Schritte auf dem Gang und das rasche Klopfen an der dicken Eichentür hörte, lief sie zur Tür und zögerte nicht, sofort den Riegel zur Seite zu schieben.
»Braedon«, sagte sie, als die Tür weit aufschwang und eine Gestalt mit breiten Schultern freigab, die den Türrahmen ausfüllte. »Braedon, es tut mir leid … «
Ihr Blick fiel auf einen kräftigen Oberkörper mit Kettenhemd und schwarzem Stoff. Das Brustemblem zierte ein wilder Drache, der sich im Kampf aufbäumte. Während Ariana noch ungläubig und gebannt auf das Maul des feuerspeienden Untiers starrte, hörte sie wie von weit her ein hämisches Lachen, das bedrohlich und anmaßend klang. Die breiten Schultern des Eindringlings wurden mit scharlachroter Wolle bedeckt, und der schwere Umhangstoff fiel ihm in langen Falten bis zu den gespornten schwarzen Stiefeln. Unsicher hob Ariana ihre Augen und sah in ein kaltes Gesicht, das wie in Stein gemeißelt schien. Stechend grüne Augen, die von rabenschwarzen Wimpern umrahmt wurden, musterten anerkennend, wenn auch gefühllos, Arianas dürftig bekleidete Erscheinung.
»Nein, Madame. Ich bin nicht Braedon. Doch ich gestehe, dass ich zum ersten Mal bedaure, nicht der Mann zu sein, den Ihr erwartet habt.« Er entblößte ein Gebiss strahlend weißer Zähne, und sein teuflisches Lächeln übte eine gefährliche Anziehungskraft aus. Im Hintergrund tauchte ein weiterer Ritter auf, doch Arianas ängstlicher Blick war einzig und allein auf den Engel des Todes gerichtet, dessen behandschuhte Hand auf dem schimmernden Knauf eines Breitschwerts ruhte. »Es tut mir leid, wenn ich störe, Lady Ariana, aber ich glaube, Ihr besitzt etwas, das ich begehre.«
13
»Was darf es bei Euch sein, Herr?«
Der Wirt reichte einem seiner Stammgäste eine Schale mit dicker Gemüsesuppe, lehnte sich dann über die zerkratzte Theke und sah Braedon ungeduldig an. Es dauerte einen Moment, bis die Frage in Braedons Bewusstsein drang, denn sämtliche seiner Sinne waren noch auf das Verlangen nach Ariana konzentriert. Sie war das wahre Ziel seines Hungers, jetzt, da er von ihrem Liebreiz gekostet hatte, sogar umso mehr. Noch nie hatte er ein so starkes Begehren verspürt, das so verzehrend war wie das, welches über ihn hereingebrochen war, als er Ariana geküsst hatte.
Selbst jetzt, als er inmitten der vollen Schankstube stand, noch ganz erhitzt, und die Macht zu leugnen versuchte, die Ariana auf ihn ausübte, konnte er an nichts anderes als an Lust denken. Nur mit Mühe löste er sich von den aufwühlenden Gedanken und blickte den wartenden Wirt an.
»Wir haben jede Menge Eintopf«, bot der Mann ihm an, während er einem anderen Gast den Alekrug nachfüllte und über die Theke schob, »aber wenn Ihr lieber etwas von dem gebratenen Eber haben möchtet, lasst es mich wissen.«
»Mir ist alles recht«, erwiderte Braedon mit erhobener Stimme, um die Geräuschkulisse in der verräucherten Stube zu übertönen. Das Wirtshaus war bereits gut besucht gewesen, als er mit Ariana früher am Abend hier abgestiegen war, doch nun standen und saßen Reisende unterschiedlichster Herkunft dicht gedrängt im Schankraum, um sich aufzuwärmen, während der Wind draußen um die Hausecken heulte. Einfache Leute vom Land hatten schüchtern neben großmäuligen Rittern und hochnäsigen Edelleuten an den auf Böcken ruhenden Tischen Platz genommen, weiter hinten, in einem Winkel nahe des Feuers, saß ein junger Kirchenmann und las einer Schar unruhiger Kinder aus der Heiligen Schrift vor.
Die
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