Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
ganzen Leben nicht ein einziges Mal die Orientierung verloren hat?«
Braedon brachte nicht den Mut auf, Ariana anzublicken. Es war schon Strafe genug, le Nantres’ triumphierende Miene sehen zu müssen. Als sie die Höhle verließen, hatte er tatsächlich eine andere Richtung eingeschlagen. Sein neues Ziel war die Küste gewesen und sein Plan, Ariana auf einem Boot sicher nach England zurückzubringen, ob ihr das nun gepasst hätte oder nicht. Er hatte sie schützen wollen, aber nun spürte er, dass er damit nur ihr Misstrauen heraufbeschworen hatte.
Draec warf ihm einen fordernden Blick zu. »Die Karte, Braedon. Wo ist sie? Du hast gehört, was die Dame gesagt hat. Sie vertraut auf deine Hilfe.«
Braedon suchte den Blick seines früheren Gefährten und sah ihm unverwandt in die kalten Augen. Als er antwortete, zuckten seine Mundwinkel. Das Bekenntnis kam ihm nicht leicht über die Lippen. »Ich habe sie verbrannt.«
»Was?« Arianas empörter Ausruf erfüllte den Raum, während Draec das Geständnis mit kühler Reserviertheit aufnahm. In ihrem Schreck wollte Ariana einen Schritt nach vorn machen, doch ihr stämmiger Bewacher riss an ihrem Haar und hielt sie zurück.
»Lass sie los!«, forderte Braedon den Ritter auf. Das genügte; mit einer beiläufigen Geste wies Draec ihn an, stehen zu bleiben.
»Du denkst, du hättest gewonnen.« Draec lächelte, aber seine grünen Augen funkelten streitlustig. »Du hast versucht das Unvermeidliche aufzuhalten. Im Besitz von Avosaar sind wir bereits. Und der Rest der Schriftstücke in dieser Tasche wird mir schon bald den Weg zu den verbleibenden drei Steinen weisen.« Er warf seinem Gefährten einen herrischen Blick zu. »Lass die Frau los und such die Papiere zusammen.«
Der Mann gehorchte ihm eilig und reichte die hastig gepackte Tasche Draec. Dieser nahm sie mit einem gerissenen Lächeln entgegen und schob den Dolch wieder in seinen Gürtel, während er Braedon nicht aus den Augen ließ.
»Es ist noch nicht vorüber, le Nantres«, sagte Braedon.
Der Ritter grinste, und in seiner Miene spiegelte sich eine teuflische Freude. »Das will ich doch stark hoffen.«
Als er die Tür öffnete und im Begriff war, zusammen mit dem anderen Mann die Kammer zu verlassen, stürmte Ariana auf ihn zu. »Wartet! Ihr habt jetzt die Tasche in Eurem Besitz. Was ist mit meinem Bruder? Ihr müsst mir sagen, wo er ist! Sagt mir, dass er noch lebt!«
Draec zögerte und zuckte ungerührt die Schultern. »Euer Bruder ist in Rouen, wie Ihr vermutet habt, Lady Ariana.«
»Oh, dem Himmel sei Dank«, wisperte sie und schloss die Augen vor Erleichterung.
»Was seine Gesundheit hingegen angeht«, fügte Draec hinzu, wobei er Braedon einen vielsagenden Blick zuwarf, »wird sein Blut meine Hände nicht besudeln.«
Drückende Stille senkte sich auf sie herab, als die Tür hinter dem Mann zufiel, der jetzt im Besitz von Kenricks Tasche war. Ariana rang sichtlich nach Luft, nur mühsam konnte sie sich auf den Beinen halten. Schließlich musste sie tatsächlich den Halt verloren haben, denn im nächsten Augenblick war Braedon an ihrer Seite, stützte sie mit einem Arm und sah sie besorgt an.
Der Lügner.
Verräter.
»Fass mich nicht an.« Ruckartig entzog sie sich seinem Arm, als habe sie sich bei seiner Berührung verbrannt. Tatsächlich war sie bis ins Mark erschüttert und begann zu frieren. Die Kälte drang in ihr Innerstes, weil sie geglaubt hatte, dass das, was zwischen ihnen passiert war, ihm womöglich etwas bedeutet habe. Doch nichts war von Bedeutung. Warum war sie nur so blind gewesen? Wie hatte sie ihm nur trauen können, ihm, Braedon le Chasseur?
Dem Jäger.
Wie ein böser Scherz hallte sein Beiname in ihren Gedanken nach. Er hatte sie in dem Glauben gelassen, er würde ihr und Kenrick helfen, hatte ihr vorgegaukelt, sich wirklich ihrer Sorgen anzunehmen. Aber bei Gott, er hatte sie sogar dann getäuscht, als sie sich geliebt hatten.
»Ariana, wir müssen reden.«
Er streckte die Hand nach ihrem Arm aus, aber sie entzog sich seinem Griff und trat einen Schritt zurück. »Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Und ich möchte nichts mehr von deinen Lügen hören.« Sie wich so weit vor ihm zurück, wie es der kleine Raum zuließ, und steuerte auf die offene Tür zu. »Du wolltest mich nicht nach Rouen bringen. Du hast mich belogen.«
»Ich wollte dich schützen. Ich möchte dich immer noch beschützen … «
»Oh, ich verstehe. Und was ist mit Avosaar? Als wir in der Höhle waren und
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