Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
Vom Netzwerk:
die Schlinge von dem kleinen Hals zu lösen. »Bitte … du musst aufhören, dich zu wehren.«
    Plötzlich hörte sie, wie hinter ihr jemand mit schweren Schritten durch das Dickicht brach. Doch in ihrer Aufregung konnte sie sich nicht umschauen, um zu sehen, ob ihr Gefahr drohte. Sie versuchte erneut, die Taube aus der Falle zu befreien, aber die Schlinge hatte sich erbarmungslos verheddert. Nicht einmal mit ihren kleinen Händen konnte Serena das Tier von seinen Qualen erlösen.
    »Nein«, rief sie verzweifelt, als der Herzschlag der Taube schwächer wurde.
    Der Tod war unaufhaltsam, und Serena, die der Ahnung ausgeliefert war, blieb nur das kalte, dunkle Gefühl der Verzweiflung. Jetzt wurde ihr das Atmen schwer, ihre Sicht war verschwommen. Sie wusste zwar, dass sie nicht selbst sterben würde, doch spürte sie jeden qualvollen Pulsschlag des Vogels, und ihre Seele weinte, wie sie es immer tat, wenn ein anderes Geschöpf ebenfalls leiden musste.
    Ein starker Arm griff über ihre Schulter. »Halt sie fest, Serena.«
    Die tiefe, gebieterische Stimme blieb inmitten der Aufregung ruhig. Erleichterung durchströmte Serena, als sie sah, dass Rand neben ihr kniete.
    »Ihr Fuß ist gefangen, dort«, sagte er und lenkte sie in einer umsichtigen und besonnenen Weise, die nicht recht zu ihm zu passen schien, die Serena indes in diesem Augenblick brauchte. »Versuch, den Vogel zu packen. Ja, genau so, Serena.«
    Sie kam der Aufforderung nach, da sie zu erschöpft war, die Worte infrage zu stellen. Doch auch wenn sie einen klaren Kopf gehabt hätte, hätte sie nicht an Rand gezweifelt. Sie vertraute ihm, wie ihr in diesem Augenblick größter Aufregung bewusst wurde. Er war bei ihr, und darüber war sie froh. Sie wusste, dass er ihr helfen würde.
    Kaum der Schlinge entronnen, hüpfte die Taube flatternd ins Gebüsch, unsicher noch, aber frei. Dort hockte sie eine Weile schwer atmend, bis sie sich schließlich mit kräftigem Flügelschlag in die Luft erhob und tiefer in den Wald flog.
    Serena blieb leicht benommen am Boden sitzen. Sie sah, wie der graue Vogel zwischen den Bäumen verschwand, und ein Gefühl des Schwindels lastete auf ihr, da die Wirkung der Ahnung noch nicht nachgelassen hatte. Der Vogel war dem Tod so nah gewesen; ihr eigener pochender Herzschlag zeugte noch von der furchtbaren Angst, die sie in diesen Augenblicken des verzweifelten Todeskampfes zusammen mit dem Tier durchlebt hatte.
    Ganz allmählich erst bemerkte sie, wie nah Rand ihr nun war.
    Er hockte neben ihr, den Unterkiefer angespannt. Seine Miene verdüsterte sich, und forschend glitt sein musternder Blick über ihr Gesicht. Ihre Gefühle waren noch immer in Aufruhr, und sein durchdringender Blick verunsicherte Serena umso mehr.
    »Bitte … « Der Tumult in ihrem Innern machte ihr das Sprechen schwer. Nach Atem ringend, unternahm sie einen zweiten Anlauf. »Bitte scheltet mich nicht, dass ich die grausame Falle eines Jägers zerstört habe … «
    »Das tue ich nicht«, versicherte er ihr, ehe sie eine Rechtfertigung vorbringen konnte.
    »… und verurteilt mich nicht, weil ich einem Geschöpf das Leben gerettet habe, das niemandem gehört – weder dem König noch dem einfachen Mann.«
    »Serena, auch das werde ich nicht tun«, wiederholte er und warf dann einen Blick auf ihre bloßen Hände, die sie wie gebrochene Flügel in ihren Schoß gelegt hatte. »Bist du verletzt?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Du bist leichenblass«, merkte er an und strich ihr eine Locke aus der Stirn.
    Serena war zu schwach, um vor der zarten Berührung zurückzuweichen. Als sie aufschaute, seinen Blick suchend, sah er sogleich, wie mitgenommen sie war. Da sie nicht einmal die Kraft hatte, die Träne fortzuwischen, die ihr über die Wange lief, tat er es. Er blickte auf den kristallenen Tropfen, der an seiner Fingerspitze glitzerte, und seine Züge verdüsterten sich noch mehr, als er schließlich begriff.
    »Jesus! Du hast die Angst der Taube durchlebt. Durch die Berührung – durch die Ahnung – hast du die Qualen des Vogels gespürt, nicht wahr?«
    »Ich spürte, wie das Leben aus der Taube wich«, erklärte sie und fühlte, wie ihr Herzschlag sich erst jetzt ein wenig beruhigte und sie wieder freier durchatmen konnte.
    »Ist die Ahnung so stark? Demnach ist deine Fähigkeit, die Gedanken und Gefühle eines anderen wahrzunehmen, nicht nur auf die Menschen beschränkt?«
    »Nein.«
    »Beim Heiligen Kreuz. Unter was für einem Fluch leidest du?«
    Ihre Sinne

Weitere Kostenlose Bücher