Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)
Wasser des Weihers verschaffte Rand wieder einen klaren Kopf. Er hatte sich ganz ausgezogen und die Kleidung und Verbände auf einen Fels neben dem Teich gelegt. Wie Serena vorausgesagt hatte, war er mit den Leinenstreifen nicht zurechtgekommen, nachdem er sie mit schroffen Worten vertrieben hatte. Eine Weile hatte er sich noch mit dem Verband abgemüht, sich dann aber geschlagen gegeben.
Dass er sich aber übellaunig in den Wald begeben hatte, lag nicht allein an seinem Verdruss darüber, dass er sich nicht selbst um seine Verletzungen kümmern konnte. Kopfzerbrechen bereitete ihm vielmehr sein Aufbrausen in Serenas Beisein. Eigentlich war es nicht seine Art, die Selbstbeherrschung zu verlieren. Wenn ab und zu sein Zorn aufflammte, dann nicht ohne Grund. Es sah ihm wahrlich nicht ähnlich, sich einer Frau gegenüber derart schroff zu benehmen. Elspeth wäre zweifellos einen ganzen Monat lang untröstlich und kaum ansprechbar gewesen, wenn er sie so angefahren hätte wie Serena eben – und dabei hatte sie ihm nur ihre Hilfe angeboten.
Serena hatte zwar das Kinn emporgereckt, doch er hatte den Schreck in ihren Augen gesehen, als er die Beherrschung verlor. Ihr Blick war von Schmerz erfüllt gewesen, und nun nagte es an ihm, dass er ihr diesen Schmerz zugefügt hatte. Und auch noch grundlos.
In Wahrheit hatte er befürchtet, der Verlockung nicht widerstehen zu können, wenn er Serenas Hände auf seiner Haut spürte. Er konnte sich nicht damit abfinden, diese Frau zu begehren. Sie war voller Unschuld, zu lieblich. Ungeachtet der inneren Stärke, die er in ihr wahrnahm, war Serenas Herz zerbrechlich und unerfahren. Er wollte nicht derjenige sein, der ihr das Herz brach. Verletzt hatte er sie bereits, da war er sich sicher.
Jedes Mal, wenn sie versuchte, sich ihm zu nähern, und er sie zurückwies, schwand etwas von dem Glanz in ihren Augen. Aber er konnte es sich nicht leisten, sich auf jemanden einzulassen, schon gar nicht auf eine behütete Jungfrau, die ihn mit jedem liebreizenden Lächeln in Versuchung führte. Wenn sie bei ihm war, brannte ein verbotenes Verlangen in ihm. Sie war lieblich und aufrichtig und rein. Und sie war ungewöhnlich, aber ihre Besonderheiten wirkten eher liebenswert als seltsam; je besser er Serena kennenlernte, desto mehr wollte er über sie erfahren.
Und ihre Schönheit … wenn er jemals einer Waldnymphe begegnet war, die einen Mann mit einem einzigen Blick zu verzaubern wusste, so war es Serena. Angefangen bei ihrem ebenholzfarbenen Haar und diesen Augen, die die Färbungen der See einfingen, bis hin zu ihren vollkommenen Formen – er war von ihrem Anblick wie verzaubert.
Trotz seiner Beteuerungen, Elspeth treu ergeben zu sein, schien ihn sein Herz – und auch sein Leib – Lügen zu strafen, wenn Serena in seiner Nähe war. Er wollte nicht wahrhaben, dass es körperliches Begehren war, hatte er in seinem Leben doch schon genug Vergnügen gekannt, um seine Begierde nicht an unschuldigen jungen Frauen stillen zu müssen. Eine Frau wie Serena, die so verletzlich und unbefleckt war, durfte er einfach nicht anziehend finden. Und doch hatte kein weibliches Geschöpf jemals eine solche Anziehung auf ihn ausgeübt.
Nicht einmal die eine Frau, die er der Liebe wegen geheiratet hatte.
Rand tauchte erneut ganz in den Weiher ein. Es war wie eine eisige Buße für seinen Mangel an Ehrgefühl, wenn er an seinen Treueschwur für Elspeth dachte … und an sein quälendes Verlangen nach Serena.
Die brennenden Wunden missachtend, schwamm er mit energischen Zügen an die andere Seite des kristallklaren Teichs. Er brauchte die Gewissheit, wieder im Vollbesitz seiner Kräfte zu sein. Sein ganzes Denken musste sich auf Silas de Mortaine und die Auseinandersetzung richten, die ihn außerhalb dieser friedlichen Wälder erwartete. Sein Augenmerk durfte nur der Rache gelten, die tief in seiner Seele brannte, forderte er doch den Tod seines Widersachers und dessen Helfershelfer.
Dennoch, als er wieder auftauchte, um tief Luft zu holen, beherrschte ausschließlich Serena seine Gedanken. Er sah sie dort zwischen den Bäumen, wie sie in dem Wald verschwand. Ihr dunkles Haar wallte in einem glänzenden Schleier über ihren Rücken, das abgetragene Bliaut bauschte sich um ihre Füße, während sie auf einem dunklen Pfad in den Wald schritt.
Zunächst glaubte er, einem Trugbild zu erliegen, glaubte, die Mächte des Waldes gaukelten seinen Sinnen etwas vor, doch dann war sie es wirklich. Offensichtlich hatte
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