Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)
Gedanke, sondern Rands. Heiß durchströmte er ihre Fingerspitzen und wurde zur wispernden Stimme der Ahnung.
Doch sie fuhr mit ihrer kühnen Erkundung fort, ließ ihre Finger über die kleine Mulde an seiner Kehle gleiten und folgte den Konturen seines Schlüsselbeins. Rand sagte kein Wort, da war nur das leichte Zucken der Muskelstränge, über die sie streichelte. Mit der Hand erforschte sie die Beschaffenheit seiner Schulter und die bewundernswerte Kraft, die dem gewölbten Rund seines Oberarms innewohnte.
Es gibt kein Zurück mehr.
Serena schaute zu ihm auf, und die Worte, die sie formen wollte – ein vorsichtiger Widerspruch, eine atemlose Bitte – , versiegten, als er ihren Mund mit einem Kuss verschloss.
Zunächst wusste sie nicht, wie sie sich verhalten sollte. Seine Lippen streiften ihre, eine federzarte Berührung, sanft und neckend. Sein Mund war weicher, als sie gedacht hatte, wie eine warme, von Waldluft erfüllte Brise. Sein dunkler Bart fühlte sich an ihrem Kinn ungewohnt rau an, wie ein angenehmes Kitzeln. In seinem Kuss schmeckte sie die Kühle des frischen Quellwassers. Vor Kurzem musste er im Weiher geschwommen sein, denn sein Haar war noch feucht, sein Duft eine Mischung aus reiner Männlichkeit und Kiefernwald. Leise stöhnend vertiefte er den Kuss.
Mit kräftigen Fingern umspannte er ihren Hinterkopf und zog sie an sich. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, daher gab sie sich diesem Kuss hin und ließ sich von Rand führen. Sie war noch nie geküsst worden. Niemals hatte sie sich etwas so Wundervolles vorgestellt wie das Gefühl von Rands Lippen auf ihren. Etwas Ursprüngliches und Gefährliches lag in diesem Zauber, etwas, das ihre Sinne umfing und sie in eine unbestimmte Tiefe lockte.
Obwohl sie sich danach sehnte, jeden Augenblick einzufangen, ließ Serena sämtliches Denken fahren. Sie schloss die Augen und gab sich der Verzückung hin, die Rands schön geschwungener Mund in ihr auslöste. Nie hätte sie sich ein so starkes Sehnen erträumt, eine derartige Hitze. Ohne einen Anflug von Furcht schmiegte sie sich an ihn und ließ die Ahnung gewähren, die ihre Sinne mit einem Kaleidoskop aus Farben und Lichtern durchströmte.
Nie zuvor hatte sich ihre Gabe so lebendig angefühlt. Niemals so stark. Die Ahnung seufzte und tanzte und sprühte Funken.
In diesem Moment, diesem herrlichen und wundervollen Augenblick, hatte Serena das Gefühl, als erwache jede Faser ihres Leibes wie aus einem wunderlichen Schlummer. Wie herrlich es war, ihn zu küssen, ihn zu schmecken. Wie atemberaubend seine Hände sich in ihrem Haar anfühlten, als er ihr über den Hinterkopf streichelte und die zarte Haut ihres Nackens liebkoste. Sie genoss den Druck, den sein Körper auf ihren ausübte, die Kraft seiner Arme und seines Oberschenkels, den er ihr sacht zwischen die Beine schob.
Eine solche Nähe hatte sie sich nicht vorstellen können. Rand so innig zu halten, ihn zu küssen, das ließ jeden einzelnen Augenblick ihres bisherigen Lebens verblassen. Sie sehnte sich nach mehr, nach etwas, das sie nicht zu beschreiben vermochte. Sie wollte einfach … viel mehr.
Als habe er ihr Verlangen erahnt, versteifte sich Rand plötzlich. Mit einem unterdrückten Fluch löste er sich von ihren Lippen.
»Verdammt«, entfuhr es ihm mit belegter Stimme. Er hatte die Hände in ihrem wallenden Haar vergraben, streichelte sie noch und hielt sie, während sein Herz heftig an ihrer Brust pochte. »Verdammt, Serena aus dem Waldland.«
Er hielt ihren Blick gefangen, und der ernste, beinahe feierliche Ausdruck in seinen Augen fesselte sie. Er barg eine Wahrheit, die er nicht zu verleugnen suchte. Es war derselbe glühende Blick, den sie in jener Nacht am Wasserfall auf sich gespürt hatte: ein Blick, von dunkler Sinnlichkeit durchdrungen. Allerdings hatte er nun nicht den Namen einer anderen Frau auf den Lippen, sondern ihren.
»Du fragst dich, was ich für dich empfinde? Ich denke, du kennst meine Antwort jetzt.«
Allerdings, das konnte sie nicht leugnen. Er begehrte sie. Vielleicht sollte sie diese Gewissheit mit Scham erfüllen. Er schien dieser Ansicht zu sein. Aber sie empfand weder Bedauern noch Verdruss für das, was sein Kuss verhieß.
»Ich hätte das nicht tun sollen«, murmelte Rand in rauem Ton.
»Schon gut, mir gefiel es. Du brauchst nicht aufzuhören … «
»Doch, Serena, das muss ich.« Er wandte sich von ihr ab. Seine Stimme klang heiser, aber er ließ sie immer noch nicht los und streichelte ihr über
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