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Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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sie ihn im Wasser nicht gesehen; nun trat sie tiefer in das Dickicht, einen Korb über dem Arm.
    Rand stieg aus dem Teich, ohne Serena einen Gruß zuzurufen. Er setzte sich auf den nassen Granitfelsen und zwang sich, sie gehen zu lassen und sich nicht weiter mit ihr zu beschäftigen. Kaum dass er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, zog er sich an, schlüpfte rasch in die Stiefel und eilte ihr nach, um sich bei ihr zu entschuldigen.
    Zumindest in einem Punkt hatte sich ihre Mutter nicht in Randwulf of Greycliff geirrt; und Serena wäre gut beraten, diesen Mann aus ihren Gedanken zu verbannen. Nach seinem schroffen Wutausbruch am Morgen war ihr klar geworden, dass Rand ihr wenig Achtung entgegenbrachte. Er war gefährlich, wie ein wildes Tier, das schwer verwundet war und nun nach jeder Hand biss, die ihm Hilfe bot.
    Nur tief im Wald glaubte Serena Frieden und Ruhe zu finden. Einen Korb im Arm, bahnte sie sich ihren Weg durch das Dickicht und hielt auf die Beerenbüsche zu, die auf halbem Weg zwischen dem Wasserfall und der alten Kapelle standen.
    Sie hatte die Beerensträucher noch nicht ganz erreicht, da spürte sie schon ein Kribbeln am Leib. In den Bäumen gab es Bewegung – ein Vogel flog auf – , doch dann mischte sich ein anderes Geräusch darunter. Ein scharfes Zuschnappen, und schließlich ein jämmerliches Flattern am Boden, nicht weit von der Stelle, an der sie stand. Blätter und Zweige wurden aufgewirbelt. Das hastige Schlagen von Flügeln am Boden schien das einzige Geräusch auf der kleinen Lichtung zu sein, auf die sich Schweigen gesenkt hatte.
    Serenas Herz schien einen Schlag auszusetzen.
    Eine Taube war in eine der furchtbaren Fallen der Jäger geraten. Offenbar war der arme Vogel, aufgeschreckt durch Serenas unerwartetes Auftauchen, geradewegs hineingeflogen. Wild schlug das kleine Geschöpf mit den grauen Schwingen und wirbelte Blätter auf, als es versuchte, sich aus der engen Schlinge zu befreien. Doch je mehr es aufbegehrte, desto unausweichlicher wurde sein Ende. Jeder verzweifelte Sprung bewirkte, dass sich die Schlinge fester zusammenzog.
    »O nein. Nein.«
    Serena ließ den Korb fallen. Verzweifelt rannte sie zu der Falle hinüber und zögerte keinen Augenblick, obwohl Rand sie gewarnt hatte, das Eigentum der Edelleute anzurühren. Doch es kümmerte sie nicht, gegen wessen Recht sie verstieß oder wessen Zorn sie auf sich zog. Sie konnte nicht einfach tatenlos dastehen und mit ansehen, wie der unglückliche Vogel vor ihren Augen verendete.
    Mit besänftigender Stimme ging sie vorsichtig in die Hocke, aber der Vogel ließ sich nicht beruhigen. Die halbrunden, schreckgeweiteten Augen der Taube spiegelten Serenas besorgte Miene wider, als sie die behandschuhte Rechte nach dem Tier ausstreckte. Da der Vogel eine zusätzliche Gefahr in ihr sah, schlug er wie wild mit den Flügeln und schnappte nach Luft; der rasende Herzschlag war an der gefiederten Brust zu erkennen.
    »Scht, ganz ruhig«, versuchte Serena auf die Taube einzureden und tastete sich behutsam vor, um ja nicht den Flügel zu verletzen.
    Die Schlinge hatte sich fest um den Hals des Vogels zugezogen. In seinem Todeskampf hatte sich das Tier zudem mit einem Bein, das nun stark nach innen geknickt war, in der Schnur verfangen. Dennoch kämpfte die Taube um ihr Leben und fasste kein Vertrauen zu Serena, während sich der Tod allmählich heranschlich und dem Tier die kostbare Luft abpresste.
    »Bleib ganz ruhig«, wisperte Serena und bemühte sich redlich, beruhigend auf das Tier einzuwirken. »Alles ist gut. Ich werde dir nicht wehtun.«
    Die Handschuhe behinderten sie. Der Vogel war schlank und hüpfte flügelschlagend auf der Stelle, sodass Serena ihn nicht richtig zu fassen bekam. Sie versuchte, ihn zu packen und festzuhalten, scheiterte aber erneut. Und jedes Mal geriet das Tier noch mehr in Panik und erwürgte sich selbst in der Schlinge. Daher musste sie es auf anderem Wege versuchen: In der einen Hand die Schlinge haltend, damit sie lockerer saß, ließ Serena das Tier los und streifte sich den rechten Handschuh mit den Zähnen ab. Mit dem zweiten Handschuh verfuhr sie in gleicher Weise.
    Jetzt konnte sie besser zupacken, aber bei jeder Berührung durchzuckten sie Angst und Furcht. Sie vermochte alles zu fühlen – das Entsetzen, die Verzweiflung, die furchtbare Angst, im nächsten Moment in der Halsschlinge keine Luft mehr zu bekommen.
    »Bitte«, keuchte Serena und lehnte sich gegen den starken Einfluss der Ahnung auf, um

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