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Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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beruhigten sich wieder. Sie blinzelte langsam, atmete tief durch und spürte, dass das Gefühl der Enge aus ihrer Brust gewichen war. »Es ist nur ein Fluch, wenn ich es als Fluch betrachte. Ich kenne es nicht anders, und es begleitet mich schon mein ganzes Leben. So stellt sich mir … die Welt dar.«
    Ihre Handschuhe lagen verdreht auf dem Boden. Rand hob sie auf und reichte sie ihr. »Du hättest sie nicht abstreifen sollen.«
    »Ich musste sie aber ausziehen. Mit den Handschuhen konnte ich die Schlinge nicht lösen.«
    Sie griff nach den Handschuhen, aber plötzlich schien Rand nicht mehr gewillt zu sein, sie ihr zu überlassen.
    »Vor ein paar Tagen, als ich dich beim Fischen in der kleinen Höhlenbucht traf, trugst du auch keine Handschuhe.«
    »Wirklich?«, fragte sie. Dabei wusste sie es genau, war lediglich verblüfft, dass es Rand aufgefallen war.
    »Ja, du hattest sie beiseitegelegt. Du tatest es mit Bedacht, um den Fisch mit bloßen Händen zu packen.« Leise stieß er die Luft aus, einen ungläubigen Fluch auf den Lippen. »Warum hast du das getan, wenn du sogar fühlen kannst, was eine Taube oder ein Fisch erleidet?«
    Als sie ihm nicht sofort antwortete, beugte er sich leicht vor, berührte sie zwar nicht noch einmal, suchte aber ihren Blick. »Warum, Serena?«
    »Weil ich es ihnen schuldig war«, erwiderte sie, da sie keinen Grund sah, Ausflüchte zu machen, selbst wenn er sie für töricht hielt. »Jedes Leben ist kostbar … «
    »›Selbst das Leben dieser einfachen Geschöpfe‹«, wiederholte er ihre Worte, die sie in der Höhlenbucht gesprochen hatte.
    Dass er ihr so genau zugehört hatte, versetzte sie in Erstaunen. Zudem konnte sie nicht leugnen, dass sie ein Gefühl der Wärme verspürte, da sie nun wusste, dass er an jenem Tag keine Geringschätzung für sie empfunden hatte, wie sie nach seiner schroffen Abfuhr geglaubt hatte.
    »Wenn ich das Leben eines anderen Geschöpfes als kostbar erachte«, erklärte sie, »und mich davon ernähre, dann muss ich meine Augen und mein Herz öffnen. Das erscheint mir menschlich. Meiner Ansicht nach ist es nur gerecht, wenn ich einen kleinen Preis dafür zahlen muss.«
    Sie rechnete mit einer spöttischen oder gar verächtlichen Antwort. Seine Miene verriet ihr nichts von seinen Gedanken. Sein Kiefer war angespannt, sein Blick so dunkel und unberechenbar wie ein aufziehender Sturm.
    »Für eine solche Einstellung werdet Ihr gewiss nur Spott übrig haben. Seht Ihr darin etwa einen Makel, wenn ich in dieser Weise denke und fühle?«
    »Nein«, erwiderte er.
    »Ist es eine Schwäche?«
    »Nein, Serena. Ich entdecke keine Schwäche an dir.« Seinem Blick wohnte nun ein eigenartiges Leuchten inne. Er schüttelte den Kopf und stieß einen leisen Fluch aus. »Ich hatte gedacht, deine Mutter würde dich hier im Wald beschützen. Jetzt sehe ich, dass es sich ganz anders verhält.«
    Seine dunklen Brauen zuckten kaum merklich über seinen wachen, rätselhaften Augen. Schließlich hob er die Hand, strich Serena sanft über den Hals und streifte mit den Fingerspitzen die empfindliche Haut unterhalb des Ohrs.
    »Du bist diejenige, die voller Kraft ist, Serena. Deine Mutter denkt, sie müsse sich um dich kümmern, aber in Wirklichkeit beschützt du sie.«
    Sie wagte nicht zu hoffen, dass er sie lobte, aber in seiner Stimme schwang Staunen, ja sogar Achtung mit, was sie einerseits mit Wärme erfüllte und doch verwirrte. »Was tut Ihr, Rand?«
    »Ich entschuldige mich. Aber ich drücke das vermutlich nicht richtig aus.«
    »Macht Euch keine Gedanken. Es war mein Fehler. Ihr braucht nichts zu sagen.« Sie erhob sich.
    »Serena.« Augenblicklich war er neben ihr und stellte sich ihr in den Weg. Seine braunen Augen waren voller Sorge, Falten zeichneten sich auf seiner Stirn ab. »Bitte hör mich an. Ich war ungerecht zu dir. Mein Verhalten muss dich durcheinandergebracht haben … «
    »Das ist wahr, in meinem Leben war ich nie verwirrter«, räumte sie ein. »Vom ersten Tag an, als Ihr unten am Strand lagt, habt Ihr alles durcheinandergebracht. Euer Kommen hat alles verändert.«
    »Das tut mir leid«, sagte er zerknirscht.
    Serena schüttelte entschieden den Kopf. »Ich brauche Eure Entschuldigung nicht. Ich möchte wissen, was in Euch vorgeht, was Ihr fühlt.«
    »Nein«, erwiderte er mit Nachdruck, doch sein Ton klang nicht verletzend. »Deine Gabe der Ahnung hat dir bereits alles über mich erzählt. Du weißt längst, was ich denke und fühle, ob mir das nun passt

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