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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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sinnloser Zerstörung durch die Oasenstadt geschlagen. Auf den Stufen der Tempelruinen lagen die Körper der Derwische, einigen hatten sie die Köpfe abgeschnitten.
    Vor dem Tor zum Palast der Königin hockte Jalal al-Sufi mit starrem Blick. Auf seinen Knien hielt er das Haupt des sterbenden Rhaban. Bei vollem Bewusstsein und offenen Auges spürte der alte Fechtmeister, wie ihm das Leben langsam aus dem Leibe wich.
    Aus der Wüste kommend, fegte ein einzelner Reiter heran, gebeugt über den Hals seines Pferdes, das er unerbittlich antrieb. Er warf keinen Blick auf die Spuren von Tod und Zerstörung, als er sich - ohne innezuhalten
    - anschickte, die offene Ebene zwischen dem Palast der Zenobe und den beiden Tempeln zu durchqueren.
    Weithin sichtbar ragte über seinen Nacken und seinen breitkrempigen Lederhelm die am Schulterpanzer befestigte Standarte hinaus.
    »Einlltschü«, stöhnte Rhaban. »Ein mongolischer Staatsbote - «
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    Der Sufi hob nur langsam seinen Blick, unbeeindruckt ließ er den Reiter vor seinem leeren Auge vorüberfliegen.
    »Niemand darf sich ihm in den Weg stellen, keine Hand sich gegen ihn erheben -« Dem Fechtmeister entrang sich ein erleichterter Seufzer. »Er ist unantastbar- «
    Jalal schaute dem Boten nach, der eine Staubfahne hinter sich herziehend in der nahen Wüste verschwand.
    Dennoch hetzt er sein Pferd, bedachte der Sufi bekümmert die Nichtigkeiten der Welt, als säße ihm der Sheitan im Genack! Als sein Blick sich wieder Rhaban zuwandte, sah er, dass er einen Toten in den Armen hielt.
    ALS DER ZUG DES SULTANS zum dritten Mal innerhalb weniger Tage die Richtung wechselte, weigerte sich sein Hofstaat, ihm weiterhin Gefolgschaft zu leisten. Gerade hatte sich An-Nasir entschlossen, doch nach Damaskus zurückzukehren. Darin sah sein Oberhofkämmerer, der Ouasir al-Khazna, keinen Sinn, die Stadt hatte sich gegen den Herrscher erhoben und würde außerdem bald in den Händen der Mongolen sein. Er plädierte dafür, endlich und zielstrebig den Weg nach Ägypten fortzusetzen. Unterstützt wurde er darin vom Obereunuchen des Harems. Dem Kabir at-Tawashi lagen die jungen Mädchen mit ihrem Gejammer in den Ohren, die nichts so sehr fürchteten wie eine Massenvergewaltigung durch die Eroberer. Damit wäre dann seine Stellung in der Tat überflüssig, sein hoher Rang nichtig. Gelänge es ihm hingegen, den Harem unbeschädigt bis nach Kairo zu schaffen, traute er sich zu, für sie einen neuen Herrn zu finden - der dann allerdings nicht mehr An-Nasir Yusuf heißen würde. Dass gerade die Dame Clarion sich dafür einsetzte, dem Sultan die Treue zu halten, verstärkte nur den Widerstand. Die Unabhängigkeit der Favoritin war den Herren der Hofkamerilla schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Da dem Ouasir al-Khazna mit der Oberaufsicht über die gesamte
    Dienerschaft auch die Leibwächter unterstanden und ansonsten keine Bewaffneten zur Hand waren, musste der vor Empörung mit Atemnot ringende Sultan die Abtrünnigen ziehen lassen. Mit ihnen entschwanden die 241
    Köche und die Zwerge, die Musikanten und die stämmigen Leibdiener. Der bunte Tross wandte sich schleunigst gen Süden, denn auf den Kämmen nicht sonderlich weit entfernter Dünen tauchten bereits die ersten mongolischen Späher auf. Sie hielten sich nicht einmal bedeckt, sondern beobachteten wie Geier den sich auflösenden Haufen. Es muss ihnen vorgekommen sein, als wenn ein dicker, fetter Kapaun, ohnmächtig von panischer Angst geschüttelt, sein farbenprächtiges Gefieder verliert. t
    Die verbliebene Gepäckkarawane und ihre Treiber schickten als ihren Sprecher den spindeldürren Baouab vor, damit er dem Sultan untertänigst, doch dringlich vortragen sollte, dass sie bereit wären, nach Damaskus zurückzukehren - das aber bitte sofort! Die Furcht saß ihnen seit dem Erscheinen der Späher in den Gliedern.
    Der am ganzen Leib zitternde Majordomus, sein oberster Haushofmeister, stellte seinem Herrn An-Nasir ein Ultimatum, was ihn noch vor wenigen Tagen glatt den Kopf gekostet hätte, aber nun war keiner mehr da, um ihn dem Unverschämten abzuschlagen. Die verständige Clarion schob den Baouab beiseite, besänftigte und bearbeitete den vor Wut ebenfalls bebenden Fleischberg.
    »Lieber Vizekönig von des Il-Khan Gnaden in Eurer eigenen Stadt, als ein Ayubitensultan im Exil, ohne Freunde in der Fremde!« An-Nasir war Gefangener seiner Sänfte, seit die muskulösen Stemmer ihn im Stich gelassen hatten. Seine Favoritin nutzte das keineswegs

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