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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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man könne nicht länger diesen Eigensinn der Prinzessin dulden. Es würde
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    niemandem auffallen, wenn er sich jetzt aus dem Zelt stahl. Einer bemerkte es dennoch, das war der aufmerksame Kitbogha, und der tat so, als sähe er es nicht.
    »Wisst Ihr, Bretone, was Baitschu mit angesehen hat?« Yeza sprach völlig unaufgeregt, doch Yves kannte sie zu gut, um nicht zu spüren, wie aufgewühlt und empört die Prinzessin war. Abwartend schaute er sie an. Von ihm erwartete Yeza keine Gefühle, sondern Taten. »Schon während seines Transports«, berichtete die Prinzessin kühl, »hatte Sundchak den Emir von Mayyafaraqin so lange hungern lassen, bis der nun versuchte, sein ledernes Schuhwerk runterzuwürgen. Dann schleppten sie ein Fass siedendes Öl herbei, griffen ihn und säbelten ihm mit raschem Schnitt ein Bein unterhalb des Knies ab - «
    »Und das will Baitschu mit eigenen Augen gesehen haben?«, hinterfragte der Bretone ungläubig. »Vielleicht hat er es irgendwo im Lager aufgeschnappt?! Kinder prahlen gern mit Schauergeschichten.«
    Wie in Trance fuhr Yeza jedoch fort, als hätte sie selber der Folter beigewohnt. »Den Stumpf drückten sie mit Gewalt kurz in das siedende Öl, bis die Wunde verschmort war. Er muss geschrien haben, dass es selbst dem allerlei gewohnten Baitschu zu viel wurde.« Yeza legte eine Pause ein, um die Reaktion des Bretonen zu prüfen, doch Yves zeigte keine. »Dann überließen sie dem Emir seinen abgeschnittenen, in Öl gesottenen Unterschenkel.
    Baitschu wusste nicht zu sagen, ob El-Kamil Hineingebissen hat, weil er dann weggelaufen war - er musste sich übergeben - «
    »Hunger wird das Opfer erst mal nicht mehr verspürt haben«, sagte Yves bedächtig, »die Schmerzen sind so rasend, dass sie meist das Bewusstsein rauben! Aber ich bin froh, dass der Knabe gekotzt hat. Schlimm wäre es, wenn Baitschu diese Bilder in sich hineinfressen würde - «
    »Da mögt Ihr Recht haben, Bretone, mir hat es bei der Schilderung den Magen umgedreht, aber Baitschu schien es nichts auszumachen - «
    »Diese Mongolenkinder schlürfen Blut schon mit der Mutter-
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    milch«, sinnierte Yves, »letztlich ist Kumiz, ihr Lieblingsgetränk, auch nichts anderes. - Der Il-Khan erwartet Euch!«
    Yeza schien nicht überrascht, sie schaute ihrem Gegenüber in die Augen. »Ich will, dass Ihr den Leiden des El-Kamil ein Ende bereitet.«
    Er hielt ihrem Blick stand. »Wenn Ihr vor Hulagu und die Dokuz-Khatun tretet, könnt Ihr gewiss sein, dass der Emir nicht mehr lebt.«
    Yeza nickte, wortlos trennten sie sich.
    Aus der Chronik des William von Koebr uk
    In der großen Halle der Burg von Akkon, ausgelegt auf die einst stattliche Anzahl deutscher Ordensritter, verloren sich die Geladenen unter den schweren Eichenbalken der Kassettendecke und den hohen Fenstern, die zum Innenhof hinausgingen, und Hanno von Sangershausen, der Hoch- und Großmeister, der nur wenn Not am Mann sich von seinem eigentlichen Sitz auf der Marienburg ins Heilige Land begab, schien wenig erfreut, seine knappe Zeit mit den leidigen Streitereien zwischen Templern und Johannitern zu verbringen. Er fand sie ebenso überflüssig wie den seit längerem schwelenden Handelskrieg zwischen den Seerepubliken von Genua und Venedig, der jederzeit wieder offen ausbrechen konnte. Beides schwächte die sowieso nicht eben rosige Lage des Königreiches von Jerusalem! Mit Bedacht hatte er seine Gäste an der langen Refektoriumstafel platziert und
    - wahrscheinlich mit einiger Schadenfreude - genossen, wie sie sich um die Sitzordnung stritten. So saßen sich die beiden Großmeister Hugo de Revel für das Hospital und Thomas de Berard für den Tempel gegenüber.
    Gottfried von Sargines, der Bailli der Königin, hatte sich neben Herrn Hanno an den Kopf der Tafel verdrückt, weil ihm nicht im Geringsten daran lag, den Vorsitz zu führen. In der festen Meinung, dass der einzig und allein ihm zustünde, hatte sich der Patriarch erbost an der gegenüberliegenden Stirnseite niedergelassen. Zwischen den ein-268
    zelnen Blöcken war viel freier Raum, denn die Großmeister ließen ihr engstes Gefolge nicht etwa neben sich Platz nehmen, sondern hinter sich stehen. So bemerkte ich den >Templersergeanten< Naiman gleich am Ohr des Thomas Berard, während Lorenz von Orta sich bis zur Wand des Raumes zurückgezogen hatte, schon um keiner der Parteien zugerechnet zu werden. Der Patriarch tat so, als sei ich Luft, denn kaum hatten der Rote Falke und ich den Raum betreten, stellte

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