Der Kelim der Prinzessin
präsentieren würden - und in welcher Reihenfolge? Dass sich die Herren Großmeister der beiden anderen Ritterorden, die ansonsten jeden an Hochmut und Dünkel zu übertreffen suchten, zu einem solchen colloquium im Haus der »Teutonen« bereit fanden, lag nicht zuletzt auch daran, dass deren Ambitionen in Outremer inzwischen gleich null waren, also keinerlei Konkurrenz darstellten. Der Deutsche Ritterorden hatte seinen Ehrgeiz seit langem auf das Baltikum hoch im Norden gerichtet, wo er sich sogar ein eigenes Ordensland geschaffen hatte. Darum beneideten Templer wie Johanniter die Deutschen ungeheuer, wenn sie es auch nicht zugaben.
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Der Erste, der eintraf, das hatten wir auch gar nicht anders erwartet, war Herr Gottfried von Sargines. In seiner zurückhaltenden Art verzichtete der Bailli auf jeglichen Pomp oder prächtiges Gefolge, grad' mal seine Leibwächter begleiteten ihn bis in den Innenhof, wo er sie warten hieß und allein die breite Treppe hinaufstieg zum Refektorium.
»Wollt Ihr mit mir wetten, William«, bot mir der Rote Falke scherzend an, »wer hier als Letzter seinen Auftritt zelebriert?« Ich musste nicht lange überlegen, für mich waren das klar die Templer unter ihrem Meister Thomas Berard, aber Prinz Konstanz hielt dagegen: »Eben weil sich die Johanniter denken können, dass die Gegenseite diesen kleinen Triumph einheimsen will, werden sie alles dransetzen, dass die anderen auf ihr Eintreffen warten müssen!«
»Ich steh' zu meinem Favoriten«, ging ich auf das Spiel ein, »lasst mich nur zuvor wissen, was der Einsatz ist?«
Der Rote Falke lachte. »Mein Weib Madulain ist zum Bazar gezogen«, er schaute prüfend hinunter auf den Platz vor der Festung. »Ich schlage vor, die Rechnung, die sie mir präsentiert, zahlt entweder Ihr, William, oder ich werde mit der doppelten Ausgabe geschlagen.«
Das gefiel mir, hatte es doch selbst bei Verlust der Wette den ritterlichen Effekt, der Dame, die mir lieb und wert, zu Gefallen zu sein. Außerdem war ich mir meiner Sache völlig sicher.
»Seht mal, wer da kommt!« Er hatte einen kleinen Trupp Berittener erspäht, die gemächlich näher kamen.
»Armer Bruder des heiligen Franz, Ihr habt die Wette verloren!«
In der Tat, es waren Tempelritter, die eine Sänfte geleiteten, die von Turkopolen des Ordens getragen wurden.
Deutlich leuchteten die roten Tatzenkreuze, diesmal auf schwarzen Wämsern, zu uns hinauf, doch ich gab mich nicht geschlagen, die schwarz verhangene Sänfte, ohne jeden Zierrat oder Wappen, rief bei mir ganz andere Erinnerungen wach.
»Es gilt lediglich das Erscheinen des Thomas Berard«, wies ich seine voreilige Siegesgewissheit zurück, »das sich erst mit dem Betreten des Innenhofes manifestiert!«
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Die Schwarzen Templer hatten die Sänfte inzwischen ziemlich weit vor der bewachten Pforte des Hauses abgesetzt und machten nicht die geringsten Anstalten, dort einzureiten. Der Rote Falke war perplex über dies Verhalten, mir aber fuhr ein gelinder Schreck in die Glieder: Der Sänfte entstieg nicht die Ehrfurcht gebietende Person, die ich in dem düsteren Gehäuse vermutet hatte - zugegeben mit ziemlicher Beklemmung! -, sondern Lorenz von Orta!
Doch auch dem zierlichen Alten wünschte ich nicht über den Weg zu laufen, hatte ich mich doch ohne Erlaubnis, ja gegen seinen ausdrücklichen Befehl von meinem Schreibturm auf dem Montjoie entfernt. Dass ich danach auf dem Krak de Mauclerc dem Patriarchen in die Hände gefallen war, konnte er mir zwar nicht in die Schuhe schieben, eher dem von ihm wohl unterschätzten Widerstand gegen sein Wirken als Secretarius jener geheimen Bruderschaft innerhalb des Templerordens. Lediglich, dass ich mich gegenüber dem Inquisitionstribunal dann recht töricht verhalten hatte, musste ich mir selbst vorwerfen - dafür hätte ich ja um ein Haar auch mit meinem Leben bezahlt! Nicht, dass mich Gefühle der Scham überkamen oder ein schlechtes Gewissen, aber sein Auftauchen hier, unter Benutzung der ominösen schwarzen Sänfte, zeigte mir bedrohlich an, dass die geheime Macht sich von einem kleinen Minoriten wie mir nicht auf der Nase herumtanzen ließ. Ich behielt meine Befürchtungen für mich und sann angestrengt nach einem Ausweg, Lorenz von Orta nicht in die Hände zu fallen.
Mein Prinz von Selinunt missverstand den Grund, warum ich mich plötzlich so kleinlaut gab. »Ich glaube, mein lieber William, ich durchschaue den raffinierten Schachzug des Templers.« Er zeigte hinab auf die
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