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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Die Mamelucken werden - ohne jede Hast - eine sich bietende Gelegenheit wahrnehmen, die Christen wieder über das Meer zu verjagen, dahin, woher sie gekommen sind!« Diese explizite Warnung des Roten Falken vor Kairo fuchste den Naiman so sehr, dass er nicht an sich hielt und - ich jedenfalls habe es deutlich gehört! - in das aufkommende Gebrummel deutlich die Worte Ya muslim al murtad! Ya khain al kadr!, einen Schimpf, der nichts anderes als »Abtrünniger Moslem!«, »Infamer Verräter!« besagen will, ausstieß.
    Um das allgemeine Getöse zu dämpfen, erhob jetzt der Bailli seine Stimme, der sich bisher missgelaunt zurückgehalten hatte. »Ich fasse zusammen«, rief er den Erregten zu. »Wir sollten die Finger von Damaskus lassen und uns möglichst weder von den Mongolen vereinnahmen noch gegen sie aufwiegeln lassen!«
    »Wir stecken den Kopf in den Brunnenschacht«, spottete der Großmeister des Tempels, »und hoffen, dass niemand unseren Arsch sieht!«
    »Dies ist die Stunde des Königlichen Paares!«, rief von der Saalwand her der schmächtige Lorenz von Orta, alle wandten sich zu ihm um. »Roc Trencavel und seine Yeza Esclarmunde auf dem imaginären Thron des
    himmlischen Friedens werden uns den Weg
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    führen, der zur Versöhnung zwischen den verfeindeten Religionen und den sich nicht verstehenden Welten unabdingbar ist!«
    Was mir als etwas peinliche Verzückung des Alten vorkam, hatte jedoch gewissen Anklang gefunden. Niemand protestierte, oder nahmen sie seine prophetischen Worte nicht ernst? Lorenz war sofort danach verschwunden, die anderen benutzten samt und sonders die Gelegenheit, die Versammlung, die letztlich wenig gebracht hatte, schleunigst zu verlassen. Ich stürmte die Treppe hinauf, um vom Dach aus den Abzug der beteiligten Delegationen zu beobachten, vor allem aber, um nicht dem Lorenz von Orta noch in die Arme zu laufen. Als ich atemlos um die letzte Ecke bog, stand mein Zuchtmeister schon vor mir.
    »Dieses Mal entwischst du mir nicht wieder, William!«, befahl er verschmitzt lächelnd. Ich folgte ihm durch das Treppenhaus eines Gesindeaufgangs, der unmittelbar neben den Räumen der Torwache mündete. Nicht einmal der Schritt durch das Portal war mir vergönnt, wo sich jetzt die Teilnehmer an der Gesprächsrunde so herzlich voneinander verabschiedeten, als sei nie ein böses Wort zwischen ihnen gefallen. Sicher hätte mir der eine oder andere anerkennend auf die Schulter geklopft. Auch darum brachte mich mein gestrenger Aufseher. Er schob mich durch einen Seiteneinlass, und ich stand vor der schwarzen Sänfte, die wie zuvor von den vier schwarzen Tempelrittern eskortiert wurde. Ihre Gesichter konnte ich nicht sehen, denn sie hielten die Visiere ihrer Topfhelme geschlossen. Damit war mir klar, dass diesmal die Herrin der schwarzen Sänfte persönlich zugegen war: Marie de Saint-Clair, unter Eingeweihten - und auch nur bei vorgehaltener Hand - bekannt als »La Grande Maitresse«! Ich erkannte auch sofort die herrische Stimme der alten Dame wieder, die jetzt den Sekretär rügte, dass er nicht eingegriffen habe, als ausgerechnet dieser windige Agent des Sultans das Königliche Paar verächtlich zu machen versuchte - Lorenz senkte schuldbewusst sein weißhaariges Haupt -, außerdem fuhr die Stimme in voller Schärfe fort, solle er Herrn Thomas Berard ausrichten, er möge sich gefälligst nicht mit dieser Kreatur aus Kairo in der Öffentlichkeit zeigen.
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    »Ganz gleich, was er damit bezwecken mag, es ist - mehr noch als eine Frage der Reputation des Ordens - ganz einfach einer ritterlichen Gesinnung unwürdig!« Der alte Lorenz dauerte mich, wie er so von seiner Oberen - und das vor mir - gescholten wurde wie ein dummer Junge. »William von Roebruk nehme ich mit mir!«, erging ihre klare Anweisung - gefragt wurde ich nie! »Er wird mir bei der Aufgabe zur Hand gehen, die mir jetzt doch dringend erforderlich scheint!«
    Damit war der Sekretär entlassen, während mir nicht einmal die Gunst gewährt wurde, mich von meinen Freunden, dem Roten Falken und Madulain, zu verabschieden. So kam ich auch nicht in den Genuss der gewonnenen Wette. Dafür würde mir - das schwante selbst einem schlichten Gemüt wie dem meinen sogleich -
    das schwierige Unternehmen der Zusammenführung von Roc und Yeza weiterhin aufgebürdet bleiben!
    Nur schien sich die alte Dame nicht bewusst zu sein - und das war meine stille Genugtuung -, dass die beiden keine Kinder mehr waren und längst ihre eigenen,

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