Der Kelim der Prinzessin
herrscherliches Verdikt, beziehen konnte. »Machterwerb, und noch mehr: Machterhalt bedarf noch immer des Einsatzes von Gewalt - «
»Nein! Schämt Euch, nein!«, unterbrach ihn da die lamentierende Stimme der Dokuz-Khatun, die meist ins Schrille umschlug, wenn sie in Erregung geriet. »Die Macht der Liebe, der christlichen Liebe zum Nächsten!«
Sie konnte es sich leisten, herausfordernd ihren Gatten anzublicken, doch der winkte nur müde ab, der Streit war nicht neu.
»Ihr hättet besser daran getan«, hielt er dem Fürsten von Antioch ungnädig vor, schon weil ihm ein lauter Wind entfahren, »diesen Roc Trencavel mit Euch herzubringen« - Hulagu litt an ständigem Magengrimmen -, »dann könnte der jetzt mannhaft der jungen Dame Bescheid stoßen.«
»So wäre zwar das Königliche Paar vereint«, gab statt seines Schwiegersohns König Hethum, nun ebenfalls verstimmt, seine
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Meinung sarkastisch zum Besten, er konnte sich schließlich auch ein offenes Wort erlauben, »aber Ihr hättet es dann gleich mit zwei äußerst schwierigen Charakteren zu tun!«
»Ich glaube fest daran«, nutzte der betagte Kitbogha das eingetretene Schweigen, »dass nur aus der harmonischen Liebe des Königlichen Paares zueinander eine Kraft entstehen kann, die dieser Welt ...«, dann hatte der Kriegsmann den Faden verloren.
»- der Welt zum Geschenk!«, sprang ihm Bohemund bei.
»- eine Kraft, deren sie dringend bedarf, wenn Glück und Frieden einziehen sollen!« Der Alte räusperte sich, schon weil er es nicht gewohnt war, seine Gedanken in schöne Worte zu fassen. »Deswegen müssen wir alles daran setzen, die Trennung des Königlichen Paares schnellstens zu beenden!«
Der Il-Khan hatte mit säuerlichem Lächeln den Sermon seines Oberkommandierenden über sich ergehen lassen, Kitbogha wurde alt. »Dann schafft den Roc Trencavel herbei!«, erteilte Hulagu ihm die unmissverständliche Order. »Hat der zukünftige König die Stadt Antioch verlassen, wie Uns Herr Bohemund berichtete, kann sich Unser junger Held nicht allzu weit von Uns befinden - also setzt ihn endlich fest - zu seinem Besten!«
Aus der Chronik des William von Koebr uk
Wir, der Rote Falke, seine Frau Madulain und ich, waren Gast des Deutschen Ritterordens zu Akkon. Meine freundschaftliche Verbindung zum Ordenshaus ging noch auf den alten Komtur von Starkenberg zurück, aber auch der Sohn des ehemaligen ägyptischen Großwesirs war hier als »Konstanz von Selinunt« bestens eingeführt, schließlich hatte ihn noch Kaiser Friedrich selbst zum Ritter geschlagen. So standen der Rote Falke und ich auf dem flachen Dach der Festungsanlage, die wie ein wuchtiger Klotz in den zweiten Verteidigungsring der wehrhaften Stadt eingelassen war. Das Bollwerk überwachte vor allem das Brückentor, die kritische Stelle, an der die äußere Stadtmauer ins Meer hinausragte, zum
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Schutz des Hafens und des dort gelegenen Arsenals. Die Bastionen beider Ecktürme, die den gesamten in Reichweite liegenden Mauerabschnitt an Mächtigkeit und Höhe weit überragten, waren mit schweren, stets einsatzbereiten Katapulten bestückt, auch wenn jetzt nur zwei einsame Ordensritter in langen weißen Mänteln mit wuchtigem schwarzem Kreuz dort jeweils den Wachdienst versahen. Unser Blick ging nicht auf Mauer und Meer hinaus, wir hielten stadteinwärts Ausschau nach dem seltenen Besuch, der unserem Gastgeber, dem Hoch-und Großmeister Hanno von Sangershausen, ins Haus stand. Der ihm in Freundschaft und Respekt verbundene Bailli des Königsreiches, Herr Gottfried von Sargines, hatte einen reitenden Boten vorausgeschickt, dass er ihn -
in genötigter Begleitung der verstrittenen Großmeister des Tempels und der Johanniter - überfallen würde, in der vagen Hoffnung, dass es der ausgleichenden Art des Herrn Hanno gelingen möge, die beiden Kampfhähne nicht etwa zu versöhnen, sie aber wenigstens auf eine gemeinsame Linie einzuschwören. Das Vorrücken der gewaltigen Armee der Mongolen auf Damaskus verlange von der Regierung des Königreiches, endlich eine klare Stellung zu beziehen, zwischen strikter Neutralität oder den beiden möglichen Allianzen, sei es mit dem Il-Khan Hulagu - wovon die Mongolen ausgingen -, sei es mit dem Sultan von Kairo, dem alten, aber vertrauten Erzfeind. Das Schreiben hatte Herr Hanno uns lesen lassen, weswegen wir jetzt auf den Zinnen der Akkon zugewandten Front der deutschen Burg standen und hinabäugten, neugierig zu sehen, wie sich die angekündigten Besucher
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