Der Kelim der Prinzessin
aussterbenden Geschlecht der Trencavel. Deren Anspruch war un-zweifelbar und erfüllt mein Herz mit Stolz - «, auf solches Entgegenkommen war sie nicht angewiesen. »Ihr Blut kreist beiderseits der Pyrenäen und vertritt ganz Okzitanien.«
Ihr Bruder ließ dann auch lachend die Maske fallen: »Und das reicht Euch? Was ist mit dem Adel Frankreichs!
War es nicht der große Bernhard aus dem Hause Chatillon-Montbard, der initiierte, dass der Orden des Tempels seine Aufgabe erhielt und erfüllte?« Das Krächzen steigerte sich mit seiner aufkommenden Erregung: »Ein Geschlecht, das es ebenfalls zu bedenken gilt, sind die normannischen Hüter der Eiche von Gisors!« Sein Spott wurde unüberhörbar. »Damit wäre auch das England der Plantagenets, Anjou und Aquitanien einbezogen. Aus dem Deutschen kommt nur das Gewächs der Staufer in Betracht - «
»Doch gerade deren Drang zur Verbindung mit dem sang real
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ist selbst für ein nur mittelmäßig sensibles Gespür erfahrbar«, unterbrach sie ihn spitz. »Sie verfügen über die Kraft, die dem Hause Okzitanien verloren gegangen ist. Stupor mundi! Friedrich konnte ihren Triumph nicht mehr erleben, aber sein Samen wird aufgehen in den zukünftigen Herrschern.«
Karl von Gisors seufzte hörbar. »Ich will Euch nicht unterstellen, dass Ihr der Ketzerei Vorschub zu leisten wünscht. Zumindest aber ist der Boden hier in der terra sancta denkbar ungünstig für das zarte Pflänzchen Eurer dynastischen Phantastereien! Zu trocken, zu heiß! Mir hingegen liegt das Schicksal der Templer am Herzen.
Selbst für diesen mächtigen Orden, dem ich Leib und Gut geweiht habe, wird das Fortbestehen an der historischen Stätte seiner ruhmreichen Gründung eines absehbaren Tages nicht mehr gegeben sein. - Dann heißt es, mit wehendem Beauseant untergehen - oder -«
»Oder Schaffung eines Ordensstaats auf dem sicheren Boden Frankreichs?!«, spöttelte die Grande Maitresse.
»Mich mögt Ihr eine närrische Phantastin schelten, aber was Ihr da erwägt, ist Hochverrat! Hochverrat an der Krone Frankreichs, denn seinem Adel gehören die Gisors - wie fast alle Tempelherren - noch immer an! Und das Territorium, das Ihr, lieber Karl, Euch so bedenkenlos auserkoren habt, ist eben nicht mehr das freie Okzitanien, sondern gehört sogar zu den Kronlanden der zu Paris herrschenden Familie der Capets! Da hätten die Templer vor fünfzig Jahren die Partei der Unterdrückten stärken müssen -jetzt ist es zu spät! Ich hasse diese Usurpatoren, diese Mörder Dagoberts, zumindest genauso wie Ihr, aber ich bin Realist - und deswegen plane - oder träume ich, ganz wie Ihr wollt - hier in einem Lande, das mir diese Möglichkeit noch bietet!«
»Es bleibt ein Traumgespinst, Marie«, krächzte der Groß-Prior, Niedergeschlagenheit in seiner Stimme. »Ihr seid auf die tatkräftige Unterstützung unseres Ordens angewiesen - und das Blut, das Ihr wie eine Alchemistin, um nicht zu sagen, wie eine alte Zauberin Euch im verschwiegenen Tiegel angerührt habt, ist zur Gänze den Adern Europas abgezapft!«
Die Grande Maitresse gab sich nicht so leicht geschlagen.
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»Heute vermag ich nur für das Abendland zu sprechen. Sein Blut, das des höchsten Adels, ist gerettet; die Vermischung mit der Idee des von Gott gewollten Caesarentums hat stattgefunden. Unsere Aufgabe ist nunmehr, die Vereinigung mit der Nachkommenschaft des Propheten Mohammed, der Schia, herbeizuführen. Deshalb unser Pakt mit den Assassinen vom Stamme Ismaels, den Hütern des anderen Blutes. Und so wird sich über die gemeinsame arianische Herkunft, über den großen Zoroastra, über die Lehre des Mani der Kreis dann schließen: Eine dynastische Verknüpfung der Nachfolge beider Propheten vereint in der Welt Kalifat und Kaisertum und mündet im Geiste in die höchste sublimatio, in den Gral.«
Dafür erntete sie nicht einmal Hohn, sondern nur müden Spott. »Nun ist nur noch das Reich zu schaffen, das Reich der Versöhnung von Orient und Okzident, das Reich der Friedenskönige! Wo soll das Zentrum dieses Reiches denn liegen? «
Grande Maitresse: »Roms Name ist für alle Zeiten besudelt. Palermo? Würde es von der arabischen Welt angenommen werden? Ja, wenn wir dem Islam gleichberechtigte Rückkehr nach Sizilien zumindest anbieten könnten. Das aber wird nicht geschehen, solange das Tier herrscht, ob in Rom oder im französischen Exil. Liegt das Zentrum in Jerusalem, dann kümmert es - wie wir gesehen haben - die Fürsten des Abendlandes
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