Der Kelim der Prinzessin
ein Fürst ohne Reich, rechtlos im Land meiner Väter«, er lachte bitter, »seid mir dennoch als gern gesehener Gast willkommen!«
Roc schaute misstrauisch in das eine kalte Auge, das andere deckte eine lederne Binde ab. »Weit von hier liegt am Meer die Stadt, deren Ihr Euch rühmt?« Roc war bemüht, seine Entgegnung nicht zu sehr als Frage zu kleiden, um den Einäugigen nicht damit zu verletzen, dass er ihm keinen Glauben schenkte oder gar für einen frechen Lügner hielt.
Der Fremde ließ es ihm durchgehen. »Die raffgierigen Templer haben sich meinen Besitz unter die schwarzen Nägel gerissen«, gab er gehässig zur Auskunft. »Als verfallenes Pfand für ihr lumpiges Geld!«, setzte er widerwillig hinzu. Der Blick aus seinem Auge besagte, dass er zu weiteren Konzessionen nicht bereit war.
Das erkannte Roc rechtzeitig. »Gern nehmen wir Eure Einladung an!«, erwiderte er schnell. »Freunde im Kampf gegen erlittene Unbill und Willkür der Mächtigen sind auch mir stets willkommen!«
Damit hatte der Trencavel das Verhältnis klargestellt. Nichts lag ihm so fern, wie mit dem Orden unter dem roten Tatzenkreuz ins Gehege zu geraten, doch als Verstärkung seiner seit Damaskus stark dezimierten Mannschaft kam ihm dieser Julian von Sidon durchaus gelegen, auch wenn Roc Trencavel zu diesem Zeitpunkt am allerwenigsten wusste, was er eigentlich tun oder lassen sollte. So sehr war ihm in Fleisch und Blut übergegangen, dass er etwas
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»erreichen« musste, dass er sich die Frage nach dem >was< und nach dem >warum< gar nicht mehr stellte. Ob es nun um eine nicht greifbare Krone ging oder um nicht genauer definierte Macht, er brauchte auf jeden Fall Leute, die auf ihn hörten, ihm Gehorsam schuldeten. Einige wenige deuchten ihm dabei überschaubarer, ein ganzes Heer zu befehligen, hätte Roc wahrscheinlich in Verlegenheit gebracht. Das war wohl auch einer der sich selbst nicht eingestandenen Gründe, weswegen er sich den Mongolen entzog, der Thron, den sie für ihn - und Yeza - vorgesehen hatten, begeisterte ihn immer weniger, er konnte sich kaum etwas darunter vorstellen -
letztlich ängstigte ihn sogar eine derartige Fülle an Gewalt und Würde. Yeza wäre mit solchen Anforderungen fertig geworden, sie war die geborene Königin! Doch wie schon so oft war sie nicht zur Hand, zum anderen wollte er nicht der Prinzgemahl an ihrer Seite sein!
Der Herr von Sidon, der sein Pferd neben den Trencavel gelenkt hatte, erging sich derweil wortreich über die Chancen, >seine< Stadt den Templern wieder zu entreißen und sich zum Herrn der Küste bis hinauf nach Tripoli aufzuwerfen. Roc ersparte sich den Hinweis, dass dort der Herrschaftsbereich der Fürsten von Antioch begann, so wie er im Süden mit Philipp von Montfort rechnen müsse, der in Tyros saß. Für Julian schien es ein Geschenk des Himmels, den berühmten Trencavel als Bundesgenossen gewonnen zu haben. Immerhin verfügte er mit der ihm noch verbliebenen starken Festung Beaufort über eine strategisch bedeutsame Burg, von der aus er das gesamte Beka'a-Tal kontrollieren konnte. Dorthin versprach er seine neu gewonnenen Freunde zu führen und ihnen großzügig herrschaftliches Quartier zu gewähren.
Aus der Chronik des William von Koebr uk
Yezas abwesender Zustand veränderte sich, als in Damaskus einige Tage später Fürstin Sybille, begleitet von ihrer Kammerzofe Alais, aus Antioch eintraf. Die leidenschaftliche Tochter Hethums
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wollte nach ihrem Mann sehen, der weit über die vorgesehene Zeit hinaus aushäusig war. Sie fand ihren Bohemund zusammen mit ihrem Vater Hethum und meiner Wenigkeit besorgt um Yeza versammelt, Bohemund hielt ihr sogar die Hand, um sie zu beruhigen, denn ihre Lethargie - es war keine Teilnahmslosigkeit - schlug häufig um in Ausbrüche wilder Verzweiflung. Eigentlich war es das erste Mal, dass die Prinzessin ihre Gemächer verlassen hatte, um mit uns einen Pfefferminztee zu trinken und sich zu beraten, was nun geschehen sollte, vor allem aber um uns vorzuwerfen, wir unternähmen - genauso wenig wie die Mongolen - nichts, um Roc Trencavel ausfindig zu machen. Die Fürstin Sybille ärgerte sich sogleich, dass nicht ihre Ankunft im Mittelpunkt stand, sondern dass sich alles um das Befinden Yezas drehte. Und da sie den Namen Roc Trencavels aufgeschnappt hatte und um sein Verhältnis zu Yeza wusste, konnte sie es nicht sein lassen, mit spitzer Zunge ihre Erfahrungen mit seiner Liebesfähigkeit anzudeuten.
»Sybille war schon immer eine
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