Der Kelim der Prinzessin
Rücken zu und wollte stolzen Hauptes den Saal verlassen, doch der alte Kitbogha versperrte ihr breitbeinig den Weg. Zu einer anderen Tür geleitete Alais ihre heftig blutende Herrin hinaus, während Bohemund hinterherlief und nach einem Arzt schrie.
»Ich habe den Entschluss gefasst«, sprach der Oberkommandierende, »und Eure letzte Darbietung, Prinzessin, bestätigt mir die Richtigkeit meiner Entscheidung - «
»Sie ist wahnsinnig!«, polterte Hethum. »Sie gehört -«
»Die Prinzessin gehört nicht sich selbst -«, Kitbogha ließ sich von einem wie dem König von Armenien nicht aus seinem Konzept bringen, »sondern uns allen, dem >Rest der Welt< ebenso wie dem Volk der Mongolen!«
»Wenn ich jemandem gehöre«, widersprach ihm Yeza, »dann meinem fernen Liebsten Rog Trencavel!«
»Eben darum«, nahm Kitbogha auch diesen Faden auf, »werdet Ihr auf die Burg Schaha verbracht werden und dort - geschützt vor äußeren Feinden wie auch vor Euch selbst - in Sicherheit verwahrt bleiben, bis Rog Trencavel in Fleisch und Blut vor uns steht!«
»Großartig!«, empörte sich Yeza, die das Verdikt nicht ernst zu nehmen schien. »Dort mag ich dann zur alten Jungfer verdorren, denn keiner von Euch«, ihr Blick glitt funkelnd von Hethum über
360
mich zu Kitbogha, »kann mir garantieren, dass Rog Trencavel je wieder zurückkehrt, und wenn, dann zu mir -?«
Sie tat mir Leid, denn ihre Zweifel an Rogs Treue waren ja nicht von der Hand zu weisen. Und Schaha, das wusste auch ich, lag weit, sehr weit entfernt am Urmiah-See. Der Il-Khan hatte es als uneinnehmbare Schatzburg erbauen lassen, um dort die immense Beute an Gold und Juwelen zu horten, die ihm vor allem bei der Plünderung von Bagdad und Aleppo in die Hände gefallen war.
»Ihr habt mein Wort gehört, Yeza, und Ihr tut gut daran, Euch mit der gefällten Maßnahme abzufinden«, redete ihr der Alte wie ein strenger, aber liebender Vater gut zu. »Die Mitnahme des Teppichs, der Euch verleidet ist, wie mir William sagte, will ich Euch hingegen ersparen - «
Da sah ihn Yeza mit kalten Augen an. »Der Kelim kommt mit!«
Inzwischen hatte sich der Saal mit Leuten gefüllt, die gespannt der Auseinandersetzung folgten. Das gab den Ausschlag. Ganz langsam, so wie sie vorhin zum verborgenen Dolch gegriffen hatte, hob sie leise an, aber jeder im Raum sollte es hören.
»Ich will jede Nacht auf ihm schlafen-jeder Mann, der des Weges kommt, kann mich haben«, sie spielte mit ihrer Stimme wie mit den Bildern, die sie ihren Zuhörern aufzwang, »ich hoffe nur, dass es ihnen besser ergeht als El-Kamil, dem Emir von Mayyafaraqin, der seine Leidenschaft für mich mit seinem eigenen Fleisch Stück um Stück bezahlen musste.« Yeza wurde lauter. »Besser als den Seldschukenprinzen Kaikaus und Alp-Kilidsch, die sich für die Prinzessin gegenseitig mit ihren Eisen durchbohrten, besser als Aziz, dem einzigen Sohn des letzten Sultans von Damaskus, dem sein Kopf um ihretwillen vom Rumpf getrennt wurde«, ihre Stimme wurde zu einer Fanfare, »und seinem Mörder Ali, dessen Körper, zerschmettert am Fuß der Zitadelle den Geiern zum Fräße dient - « Sie lachte schrill. »So wird es allen ergehen - denn die Prinzessin ist böse!« Mit diesem letzten Aufschrei sackte Yeza zusammen, doch ehe ihr jemand zu Hilfe eilen konnte - ich war wie erstarrt über diesen lavaartigen Ausbruch all dessen, was sie durchgemacht hatte -, raffte sie sich wieder auf, was Hethum veranlasste, seine Meinung kundzutun.
»Ihr seid außer Euch!«, rief er vorwurfsvoll.
361
»Außer mir?!«, höhnte Yeza und riss sich die Kleider vom Leibe. »Wollt Ihr mich sehen, wie ich wirklich bin!?«
Nackt stand die Prinzessin vor uns, dann legte ihr die zurückgekommene Alais eine Decke um und führte die Zitternde aus dem Raum.
Nach diesem Skandal, der mir wie der Vulkanausbruch einer fiebrigen Krankheit vorkam, wobei wir alle, wenn wir mit uns ehrlich waren, statt gerecht, im Funken- und Ascheregen standen, ließ man Yeza in Ruhe. Hinter ihrem Rücken wurden allerdings die Vorbereitungen zu der weiten Reise vorangetrieben. Kitbogha übertrug die Leitung der starken Eskorte seinem Neffen Khazar, dem er - sehr zum Ärger des Generals Sundchak - dafür zwei Hundertschaften gab. Als Yves das vernahm, war er zutiefst beleidigt und verließ die Stadt, ohne sich bei irgendjemandem von uns zu verabschieden. Kitbogha hätte ihn zumindest fragen können, ob er diesen Dienst an Yeza übernehmen wollte, nach allem, was er für die
Weitere Kostenlose Bücher