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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Schnitten ein dickes Tau, das über die Brüstung in die Tiefe führte. Gleichzeitig mit dem peitschenden Verschwinden des abgeschnittenen Endes ertönte von außen ein lang gezogener Schrei, den ein Aufschlag auf felsigem Grund abrupt beendete.
    »Der junge Herr Ali, für einen kurzen Tag Malik dieser Stadt«, eröffnete der Kommandant lächelnd dem Bretonen, »legte größten Wert darauf, Euch nicht in die Hände zu fallen. Ich habe ihm diesen Wunsch erfüllt.«
    Weder Yeza noch Yves verspürten das Bedürfnis, es dem freundlichen Kommandanten gleichzutun und noch einen Blick hinab auf den zerschmetterten Körper zu werfen.
    »Die Inthronisation habt Ihr zwar versäumt, Prinzessin«, sprach Yves die wie versteinert wirkende Yeza an,
    »doch nichtsdestotrotz
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    werde ich Euch jetzt zurückbringen in den Palast, wo Ihr von Eurem Freund und Gönner Kitbogha sehnlichst erwartet werdet.«
    Yeza starrte den Bretonen an wie einen Geist, mit einem Satz sprang sie auf die Mauerkrone. »Wenn Ihr Hand an mich legt, Bretone, springe ich!« Ihre Stimme gellte ungewohnt schrill. »Ich hänge nicht an meinem Leben, nachdem das von Roc Trencavel nunmehr erloschen ist!«
    Yves begriff, dass sie es ernst meinte, und trat einen Schritt zurück. Yeza glaubte also immer noch den Teil der Lügengeschichte, die sie dazu brachte, des Nachts den Palast zu verlassen und sich -und andere - ins Unglück zu stürzen. Kein Wunder, dachte Yves, nach allem, was ihm der Baouab inzwischen von dem Irrsinnsanschlag auf Roc mit dem brennenden Elefanten erzählt hatte. Eine liebende junge Frau musste da den Verstand verlieren, doch Yeza war aus härterem Holz geschnitzt, er musste sie wieder zur Vernunft bringen.
    »Ich schwöre Euch, fallt nicht auf die Intrigen gegen Euch herein: Roc ist wohlauf!«
    »Ich bin auch wohlauf!«, schrie ihn Yeza an. »Nachdem ich das grausame Hinschlachten meiner Eskorte, verschleppt zu werden wie eine Sklavin erdulden musste, den üblen Versuch einer erzwungenen Eheschließung und jetzt auch noch die >Befreiung< durch Euch, Yves!«
    Sie hatte sich so in Rage gesteigert, immer den Bretonen im flackernden Blick behaltend, dass sie nicht auf den Kommandanten achtete, der jetzt mit einem Hechtsprung ihre Beine umklammerte und sie von der Mauer riss. Er stieß die Tobende in die Arme des Bretonen. Der hielt Yeza fest umschlungen, bis sich ihr Weinkrampf löste und in ein konvulsives Schluchzen überging.
    »Schwört mir, dass er lebt!«
    »Ich schwöre es bei meinem Leben!«, versicherte ihr der Bretone. »Ihr könnt mir den Kopf abschlagen, wenn es nicht der Wahrheit entspricht!«
    Yeza beruhigte sich. Yves garantierte dem Kommandanten und seiner Garnison freies Geleit, ließ sich die Zitadelle aushändigen und geleitete die zurückeroberte Prinzessin wieder in den Palast.
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    Aus der Chronik des William von Koebr uk
    Unsere Prinzessin Yeza wirkte für mich wie eine erschöpfte Schwimmerin, die im Begriff war, sich aufzugeben, sich nicht einmal retten lassen wollte, auch wenn dies vielleicht an meinen untauglichen Versuchen lag. Die leichten Blessuren an Stirn und Arm spielten dabei keine Rolle, die Belastungen für ihr Gemüt waren einfach zu viel gewesen. Sie wandelte wie ein djinn neben sich her, ihre immer noch grün schimmernden Augen schienen verständnislos das zarte, zerbrechliche Wesen zu betrachten, das früher die freche forsche Yeza gewesen war.
    Das Einzige, das ich für sie tun konnte, war, dafür zu sorgen, dass sie sich schonte. Gott sei Dank - von ihrer vorgesehenen Inthronisierung war nicht mehr die Rede!
    Der Kommandant der Zitadelle, der sie im Auftrag des Bretonen von seinen Leuten hatte herbringen lassen -
    denn Yves scheute sich, selbst Hand an die sich Sträubende zu legen -, bestätigte im Großen und Ganzen meine Vermutungen, was den Ablauf der bösen Intrige des Naiman betraf. Natürlich spielte er alles herunter, was seinen Anteil an der Durchführung betraf. Neu war für mich das Zerwürfnis zwischen dem ägyptischen Agenten und Ali, immerhin Sohn des letzten, wenn auch gestürzten Sultans der Mamelucken. Naiman, der an dem Überfall beim Kloster der Zisterzienser - wie es seiner Art entsprach - nicht in eigener Person teilgenommen hatte, war außer sich vor Wut, als Ali auf der Zitadelle mit der lebenden Yeza erschien und sich auch noch gegen seinen Auftraggeber stellte, als der den Tod der Prinzessin verlangte. Hier glaube ich sogar dem Anspruch des Kommandanten, dass nur sein Eingreifen

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