Der Kelim der Prinzessin
zugleich. Der Prunkwagen - gezogen von vier Doppelgespannen - kam, das Königliche Paar heimzuholen ...
YEZA ERWACHTE, es gelang ihr, die Augen zu schließen. Mit einem Blick hatte sie wahrgenommen, dass die wüsten Bilder, deren Töne auf sie eingeschlagen, eingestochen hatten, Wirklichkeit waren: Neben ihr lag Roc Trencavel in seinem Blut, alles Leben war aus ihm gewichen. Sie tastete nach seinem Haar, ihre Fingerspitzen glitten über sein Gesicht, berührten seine Lippen. Yeza dankte Gott für diese Gunst, dies alles mit geschlossenen Augen erfahren, sich noch ein letztes Mal vorstellen zu dürfen, dass sie gleich neben dem schlafenden Geliebten erwachen würde ...
Das Erwachen war nüchtern, Grausamkeit konnte ihr nichts mehr anhaben. Sie empfand auch keinen Schmerz, eher eine ungeahnte Erleichterung, deren sie sich nicht schämte. Alle Zweifel, alles Bangen und Hoffen waren ihr genommen, waren von ihr abgefallen! Für die eingetretene Leere lohnte es sich nicht länger zu leben, diese Klarheit umflutete sie wie helles Licht, nicht wohltuend matt und milde, sondern beglückend in ihrem Versprechen, dass hinter der Helligkeit von tausend Sonnen ihre Seele das Paradies erlangen werde -
Dicht bei dicht umstanden die mongolischen Soldaten des General Sundchak die Prinzessin. Yeza richtete sich auf. Von den Tempelrittern hatte keiner das Eintreffen dieser Truppe überlebt, sie waren regelrecht abgeschlachtet worden. Einzig Yves hatten die Mongolen
474
auf Befehl Sundchaks in Ketten gelegt. Baitschu, der sich verzweifelt an den Bretonen geklammert hatte, war von ihm weggerissen und in die Sänfte gesteckt worden. Der Karren mit dem goldenen Thron war eingetroffen.
Yeza wurde behutsam über eine Leiter auf die obere Plattform geleitet, wo sie Platz nahm, steif wie eine Puppe.
Sie sah mit ausdruckslosem Blick von oben auf das Geschehen zu ihren Füßen, während Rocs Leichnam, in die blutige Decke gehüllt, von mehreren Kriegern, die eine Kette bildeten, zu ihr hinaufgehoben wurde. Sie schlug das verhüllende Tuch zurück und bettete das Haupt des toten Geliebten in ihrem Schoß. Mit der ihr eigenen Autorität bestand Yeza darauf, dass der Käfig nicht geschlossen wurde. Sundchak wollte keine weitere Zeit verlieren, er ließ den Bretonen hinten an den Karren ketten, sodass er dem Gefährt wie ein Armsünder zu Fuß folgen musste. Dann gab der General das Zeichen zum Aufbruch, insgeheim bleckte der Fleischerhund die Zähne im Vorgeschmack, als er sich das Gesicht Kitboghas vorstellte, wenn er dem sein wertes Königliches Paar zu Füßen legte. Damit würde er seinen Vorgesetzten tief ins Mark treffen!
Auch Yeza dachte an Kitbogha, an den Schmerz, den sie ihm zufügen würde. Einziger Trost mochte für den bärbeißigen Alten sein, dass er seinen Sprössling Baitschu wieder in die Arme schließen konnte. Yeza bedachte selbst die Situation von Yves. Wie auch immer es geschehen sein mochte, es machte keinen Sinn, den Bretonen dafür mit seinem Blut zahlen zu lassen, wie sich Sundchak das frohlockend vorstellte und es auch alle Welt wissen ließ. Yeza beschloss die Zeit, die ihr noch verblieb, gerade weil der Traum zerstoben, nun erst recht als willensstarke Königin zu wirken, Herrin über Leben und Tod! -
So rollte der Karren mit dem goldenen Thron dahin, vorbei an den Hörnern von Hattin, jenen Hügeln, bei denen Saladin den Christen einst die entscheidende Niederlage beibrachte, ihnen Jerusalem wieder nahm. Doch daran erinnerte sich keiner von denen, die jetzt eilends südwärts zogen, nicht die Mongolen, nicht Yves noch Yeza mit dem Toten im Arm. Das Königliche Paar endlich vereint ...
475
EIN TEPPICH IN DER WÜSTE
Aus der Chronik des William von Koebr uk
Ich weiß nicht, ob die Mongolen ein Auge hatten für die Lieblichkeit der Landschaft, in der Kitbogha sie ihr Feldlager hatte aufschlagen lassen. Den Oberkommandierenden plagten ohne Zweifel andere Sorgen. Er zog gegen einen Feind, dessen Stärke er nicht kannte, er wusste wenig über die Strategie seines Gegenspielers Baibars - nicht einmal genau, wo dieser stand. Als ich am Morgen auf das Heer der Mongolen stieß, hatte ich den Eindruck, dass sie sich eng zusammengeballt am Ufer des Sees von Genezareth versammelt hatten, als suchten sie gegenseitig einander Geborgenheit und Zuversicht zu geben. Die kleine, aber gut befestigte Stadt Tiberias ließen sie - entgegen ihrer Gewohnheit - unbehelligt, requirierten lediglich die Früchte der Gärten und Felder,
Weitere Kostenlose Bücher