Der Kelim der Prinzessin
wie auch alle Herden, deren sie im reichen Umland habhaft wurden. Überall drehten sich fette Hammel und Rinder am Spieß, wurde geschmurgelt und gebacken, als wolle man sich den Wanst noch einmal so recht voll schlagen, bevor - bevor was?!
Dass sie auf einen Feind warteten, war ihrem Verhalten nicht zu entnehmen. Dass sie willens waren, den Mamelucken entgegenzuziehen und ihnen die Schlacht aufzuzwingen, noch viel weniger. Und doch warteten sie auf etwas, und zwar voller - wenn auch nicht eingestandener - Unruhe und Besorgnis. Sie ergriff mich, obgleich ich nicht im Geringsten ahnte, was auf mich zukommen würde. Ich war gerade im Begriff, mich zum Zelt Kitboghas zu begeben, um dem Feldherrn meine Aufwartung zu machen, als das Ereignis eintrat.
Von Norden kommend, womit ich nicht gerechnet hatte, weil
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ich das Heer bereits für vollzählig hielt, führte der General Sund-chak die siegreichen, mit Beute beladenen Truppen aus Sidon heran. Dem jubelnden Lager gab das Auftrieb, bei mir erregten diese Soldaten nur Abscheu, wenn ich daran dachte, wie sie in der eroberten Stadt gehaust, sich mit Blut besudelt hatten! Doch blieb mir keine Zeit, um mich über diesen Schlächter Sundchak zu erregen, denn mit ihnen traf ein Gefährt ein, das mir, schon als ich seiner von weitem ansichtig wurde, Schauder einjagte. Düster und vor allem unheimlich grausam in seiner Anmutung, rumpelte ein gewaltiger Karren heran, er trug ein hoch aufragendes Gestell, das durch einen goldenen Käfig gekrönt war -
Und dann erkannte ich das gebeugte menschliche Wesen, ein junges Weib, auf dem Thron: Es war Yeza! Und auf ihren Knien hielt sie einen Toten! Den toten Geliebten! Ich war entsetzt, ich rannte weg. Roc Trencavel getötet? Mir war es, jemand zerrte an meinem Herzen, um es mir aus der Brust zu reißen! Da ich mich mehrfach umdrehte nach der goldenen Hinrichtungsmaschine, die hoch über die Jurten ragte, mich zu verfolgen schien, fiel ich über die eigenen Füße, mit dem Gesicht in den Dreck. Ich schlich mich in das Zelt des Feldherrn, hockte still in eine Ecke, zitterte am ganzen Leib - und konnte nicht weinen!
Der General Sundchak schritt triumphierend als Erster über die Schwelle. Er meldete dem Feldherrn den erfolgreichen Ausgang seiner Mission gegen die Stadt der Templer. Kitbogha verzog keine Miene. Das hatte Sundchak auch nicht anders erwartet. Er forderte seinen Vorgesetzten scheinheilig auf - draußen wurden Rufe laut, sie klangen nicht begeistert, eher zeugten sie von großer Erregung -, vor das Zelt zu treten. Von vier Doppelgespannen gezogen war dort der hochrädrige Karren zum Stehen gekommen. Kitbogha leistete der Einladung keine Folge, würdigte den General nicht mal einer Antwort, er schickte einige seiner Unterführer hinaus, ich folgte ihnen beklommen.
Yeza verließ gerade und ohne Hilfe das Goldene Gehäuse oben auf der Spitze der hölzernen Pyramide. Sie stieg hinab wie eine Königin, wie eine kriegerische Göttin, unnahbar. Den Leichnam
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des Toten hatte sie zuvor auf den breiten Thronsessel gebettet. Da lag nun der Trencavel hoch über seinem Volk, das zu regieren ihm nicht vergönnt gewesen. Viele schauten andächtig hinauf, einige hatten Tränen in den Augen. Es war still geworden, als Yeza - ohne ihn zu beachten - an Sundchak vorbei das Zelt ihres alten Freundes und Förderers Kitbogha betrat. Der Alte war aufgesprungen, und die beiden umarmten sich lange. Ob wortlos, wüsste ich nicht zu sagen, denn sofort darauf wurden Wachen hinausgesandt, und die kamen mit dem immer noch geketteten Bretonen zurück. Kitbogha befahl seinem General barsch, Yves von seinen Fesseln zu befreien.
»Bis zu seiner Verurteilung handelt es sich immer noch um den Gesandten des Königs von Frankreich!«, belehrte er den vor Zorn rot angelaufenen Sundchak, der sich sträubte, den Befehl auszuführen. Das übernahmen die zurückgekehrten Unterführer, aber sie zwangen Yves vor Kitbogha in die Knie. Der schaute fragend auf Yeza. Die Königin sah lange gedankenverloren auf den Bretonen, bevor sie nicht nur ihn, sondern alle im Zelt ansprach.
»Es ist gekommen, wie es kommen musste«, sagte sie leise, um dann mit klarer Stimme fortzufahren, »Könige werden von Gott eingesetzt und nicht von Menschenhand - weder von solchen, die sich >Herrscher der Welt< glauben, noch durch Macht geheimer Orden!«
Sundchak schnaubte vernehmlich, er sah seine Felle wegschwimmen, zumindest das des Bretonen, für den er wenigstens das Häuten bei
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