Der Kelim der Prinzessin
verfahren. Kitbogha wollte ihn noch verlesen lassen, bevor er ihn seinerseits versiegelte, aber Hulagu winkte ab. Barsch wurde El-Aziz befohlen, die beiden Schreiben Khazar zu überbringen, der vor Sonnenaufgang bereits seinen Ritt zurück zur Strafexpedition anzutreten habe. Der Page rannte los.
Khazar hatte sich schon zum Schlafen gelegt, denn er wusste einen anstrengenden Tag vor sich. El-Aziz übergab ihm das Schreiben an den General Sundchak. Von dem Freibrief sagte er nichts. Dann begab sich der Sohn des Sultans in das Quartier seiner Diener, die er Sinnloserweise aus Damaskus mitgeschleppt hatte, seine Kämmerer, insbesondere seinen Leibkoch und seinen Eunuchen, der für das Bad zuständig war. Genützt hatten sie ihm wenig, aber wenigstens schlief er jede Nacht ein paar Stunden unter ihrer fürsorglichen Obhut. Er befahl ihnen, ohne Aufsehen zu erregen, ihre Sachen zu packen und sich zum Aufbruch bereitzuhalten. In wenigen Stunden würde er als freier Mann mit ihnen das Lager verlassen.
Als Khazar bei Tagesanbruch durch die Dünen ritt, der Wüste und der aufgehenden Sonne entgegen, traf er die beiden Seldschuken-prinzen Kaikaus und Alp-Kilidsch schon wieder dabei, sich unter der Aufsicht ihres Fechtmeisters zwar nicht die Köpfe, aber Arme und Schultern blutig zu schlagen. Er grüßte sie spöttisch im Vorbeireiten. Die beiden hielten kurz inne.
»Da zieht er aus, der Mongole«, reizte Alp-Kilidsch seinen Bruder. »Er wird dir deine Prinzessin Yeza vor der Nase wegschnappen!«
Kaikaus brachte den Vorwitzigen mit einem wütenden Ausfall in arge Bedrängnis. »Ein geborener Verlierer wie du«, stieß er aus, »sollte sich jeden Gedanken an eine solche Braut aus dem Sinn schlagen!«
Khazar hatte die offene Wüste erreicht, das Lager der Mongolen war bereits außer Sichtweite, da stob hinter einer Sanddüne hoch zu Ross Baitschu hervor.
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»Wo kommst du denn her?«, war die erstaunte Frage des Älteren. »Hat dein Vater dich -?«
Der muntere Knabe lachte und trieb sein Pferd an die Seite Khazars, offensichtlich gewillt, ihm auf seinem Ritt Gesellschaft zu leisten. »Ich hab' die Damaszener heute Nacht dabei überrascht, wie sie sich vorbereiteten, das Lager heimlich zu verlassen.«
»Und die Wachen haben sie durchgelassen?«, fragte Khazar ungläubig nach.
»El-Aziz, der Page, der so blöd, wie er tut, wohl doch nicht ist«, belehrte ihn Baitschu, »wies einen Passierschein vor, vor dem sie sich ehrfürchtig verneigten. Er zeigte das Siegel des II-Khan!«
Khazar war beeindruckt. »Und du?«
Baitschu grinste. »Der Preis für meine Verschwiegenheit bestand darin, dass ich mich unerkannt unter die Köche und Bediensteten mischte, die das Gefolge des Sultanssohnes darstellen, - und jetzt reite ich mit dir gen Mard'
Hazab!«
Khazar willigte grinsend ein.
DIE KLEINE REISEGRUPPE aus Jerusalem lagerte irgendwo im Gebirge an den südlichen Ausläufern des Hau-ran, die sich hier bis zum ausgetrockneten Flussbett des Jarmak hinzogen. Nachdem William zur vereinbarten Zeit nicht am Treffpunkt erschienen war, hatte der Rote Falke - ohne auf den Franziskaner zu warten - den sofortigen Aufbruch durchgesetzt. Die Gesellschaft bestand somit - neben Madulain, dem energischen Weib des Emirs, und dem ägyptischen Sultanssohn Ali - nur noch aus David, dem einarmigen Templer, und Joshua, dem Zimmermann. Die beiden waren beim Lagerfeuer sitzen geblieben, während der Rote Falke und Madulain, gefolgt von Ali, noch einen Rundgang unternahmen. Die Gegend galt nicht als sicher, herumstreifende Räuberbanden hätten die Reisenden entdecken können. Doch das kaum noch glimmende Feuer war von keiner Seite aus wahrzunehmen. Der Groll über den säumigen William saß tief bei den Zechkumpanen aus Jerusalem, denn ohne einen weiteren Mitspieler war an eine oder mehrere unterhaltsame
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Runden des Wesen-Spiels nicht zu denken - und solche reichlich abzuhalten war sicher einer - wenn nicht der ausschlaggebende -Beweggrund gewesen, dass sie dem Drängen des Emirs nachgegeben und sich auf diese schon jetzt reichlich Mühsal versprechende Reise eingelassen hatten.
»Der Rote Falke weiß auch nicht«, murrte Joshua und starrte auf die zwischen ihnen ausgebreiteten Steine des Wesen-Spiels, »wo er nach Rog und Yeza fahnden will - ich kann jedenfalls keine Strategie in unserem bisherigen Vorgehen entdecken!«
Der Templer schaute nicht einmal auf, sondern wendete gedankenverloren einzelne der Symbole um. »Das mag seinen Grund auch in
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