Der Kelim der Prinzessin
hervorbrachen und ihre Pferde zwangen, sich den lehmigen Fluten anzuvertrauen. Sie hielten keineswegs auf den Abschnitt zu, unter dem sich die unsichtbare Furt dahinschlängelte, sondern schlugen einen weiten Bogen, als wollten sie vermeiden, mit der einsamen Reiterin zusammenzustoßen. Yeza achtete nicht weiter auf sie, obgleich ihr auffiel, dass sie nicht wie Reisende mit schwerem Gepäck behangen waren, hingegen allesamt gut bewaffnet.
Sie war gerade schon bereit, sie aus den Augen zuverlieren, als sie merkte, dass die Reiter hinter ihrem Rücken nun doch auf die Furt zustrebten, als woll-153
ten sie ihr einen möglichen Rückweg abschneiden, auch gaben sie sich nicht länger den Anschein, sie hätten die Überquerung des Flusses im Sinn. Yeza spürte langsam, wie sie näher kamen, also trieb sie ihr Kamel zur Eile an, um schnellstmöglich Land zu gewinnen, denn die Vorstellung, hinterrücks von den Kriegern im Fluss angefallen zu werden, bereitete ihr Unbehagen! Sie überlegte noch, mit welcher Finte sie sich von den Verfolgern absetzen könnte, als zur linken Hand nun am Ufer ebenfalls drei Reiter erschienen, die ganz offensichtlich danach trachteten, ihr den einzig noch offenen Fluchtweg entlang des flachen Strandes zu versperren. Sie peitschte entschlossen ihr Tier über die letzten Meter, dass das Wasser aufspritzte, setzte mit mächtigem Sprung in den trockenen Sand, der den breiten Hufen des Kamels gegenüber den Pferden über längere Distanz einen Vorteil bringen musste. Yeza riss ihr Tier herum, da sah sie, dass ihre Verfolger aus dem Fluss bereits schräg dem Ufer zu ihrer Rechten zustrebten. So erklomm sie die sandigen Dünen - das Kamel scheute, Yeza erstarrte: Vor ihr ragten drei Köpfe wie absonderliche Pilze aus der Böschung: El-Aziz, flankiert von seinen Begleitern, bis zum Hals im Sand vergraben! Yeza erschauerte, aber sie zwang das Kamel, das Hindernis zu überwinden, ohne Zögern, um das schützende Buschwerk zu erreichen. Doch am Brechen der Äste zur Rechten wie zur Linken begriff sie schnell, dass die Schlinge sich zuzog, die Jäger hatten sie bereits in die Zange genommen, sie trieben ihr Wild genau dorthin, wohin sie es haben wollten, ohne sich zu zeigen. Die Zweige des Gestrüpps verbargen ihre Gesichter, aber Yeza glaubte - weniger ihr heftiges Atmen als ihr Gelächter zu vernehmen. Machten sich die Unbekannten über sie lustig?!
Das Grün lichtete sich abrupt zu bestellten Feldern, weiträumig umzäunt. Inmitten der Fläche lag ausgebreitet vor ihr der Teppich! Brüsk zügelte Yeza ihr Tier. Keinen Schritt weiter. Die Hitze, die Strapazen, die Entbehrungen, das alles, um jetzt mit diesem Anblick konfrontiert zu werden? - Yeza wurde schwarz vor den Augen, sie erinnerte sich nicht, ob sie ihrem Kamel, das sie bis hier treu getragen, noch das Kommando zuflüstern konnte, niederzuknien, sie sank, sank in immer größere Tiefen ...
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Sie sah Rogs Kopf aus dem Sand ragen, sie selbst drohte in der Düne zu versinken, erst waren es nur ihre Füße, dann umschloss der rutschende Sand ihre Waden, sie ließ sich auf ihre Knie fallen, kam dennoch keinen Schritt vorwärts, sie warf sich auf den Bauch, mit ihren nackten Händen versuchte sie das Haupt ihres Geliebten freizuschaufeln, immer neue Mengen Sand rieselten, stürzten in Bächen, machten ihr Bemühen zunichte, in ihrer Verzweiflung griff sie in sein lockiges Haar, um ihn aus diesem Mahlstrom zu zerren - und hielt seinen abgeschnittenen Kopf in den Händen! Da erwachte Yeza.
Eisen klirrte gegen Eisen, kreischend glitten die scharfen Klingen aneinander entlang, bis mit hartem Schlag das Heft dem spitzen Schrei des Stahls ein Ende bereitete. Auf dem Teppich fochten zwei junge Männer, und was wie ein grausiges Spiel anmutete, war längst ein Kampf auf Leben oder Tod. Alles, was dazu geführt haben musste, lag im Dunkel ihres Schwächeanfalls und ihrer tiefen Ohnmacht. Yeza kannte sie beide nicht, und doch war ihr sofort klar: Der Preis war sie! Man hatte sie auf den Sattel ihres Kamels gesetzt, diesen mit untergeschobenen Futtersäcken und allerlei Decken erhöht, sozusagen ein improvisierter Thron für die Prinzessin. Außer Yeza nahm niemand die Breitseite des Kelim ein. Zur Rechten wie zur Linken an beiden Schmalseiten saßen - mit gebührendem Abstand zur Teppichkante - die jeweiligen Freunde und Anhänger der beiden Duellanten und verfolgten mit vor Spannung gekrümmten Rücken jede Finte, jeden Schlag, doch schienen sie gehalten,
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