Der Kelim der Prinzessin
Roc ritt an der Seite der Sänfte der feurigen Sybille. Terez war es mehr als recht, dass die Armenierin ihm jetzt die kalte Schulter zeigte. In Antioch wartete seine Angetraute Berenice auf ihn, und die hatte ein feines Gespür für eheliche Untreue, gewisslich nicht gewillt, solche tatenlos hinzunehmen. Außerdem versprach das überraschende Zusammentreffen mit dem Trencavel neue, aufregende Abenteuer in Hülle und Fülle. Da wusste er sich mit seinen Kumpanen Guy und Pons einig: Mit Roc und Yeza würden wieder die guten alten Zeiten anbrechen, denn dass die beiden gar bald zum Königlichen Paar vereint, daran hegten die Okzitanier keinerlei Zweifel!
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Roc hingegen musste seine erheblichen Bedenken bekämpfen, ob der jetzt eingeschlagene Weg nicht der falsche war - gar ein Verrat an Yeza? Seine Selbstsucht gewann die Oberhand: Hatte er nach all der Schinderei und den erlittenen Demütigungen nicht etwas Wohlleben verdient?! Ein schlechtes Gewissen sollte ihn deshalb kaum plagen - vielleicht genoss Yeza gerade in vollen Zügen die Tatsache, von ihm getrennt zu sein? Sicherlich würde sie leichter, als es ihm gelang, mit diesem Schicksal fertig werden.
TAGELANG ZOG DIE KARAWANE mit dem Teppich durch die Wüste, Yeza einsam an der Spitze auf dem
Rücken eines Kamels, das die seldschukischen Nomaden ihr bereitwillig überlassen hatten, nachdem sie sich so eindrucksvoll gegen den Schwächling El-Aziz durchgesetzt hatte. Der Sultanssohn aus Damaskus hatte in den Augen der Seldschuken sein Gesicht endgültig verloren. Dass sie ihn noch bei sich duldeten, lag an dem Respekt für den Emir El-Kamil, der sie für diesen Transport angeheuert hatte. Ihre Ehre ließ nicht zu, den angenommenen Auftrag im Stich zu lassen. Nur legten sie keinen Wert darauf, den unglückseligen El-Aziz während des ganzen langen Ritts vor der Nase zu haben, weswegen er, flankiert von seinem Koch und dem Meister des Bades, die Nachhut der Karawane bildete.
Doch Yeza haderte mit sich, denn der Weg, den sie eingeschlagen hatten, würde eines Tages vor den Thronsesseln des Il-Khan und der Dokuz-Khatun im Feldlager der Mongolen enden, wo immer sich dies befinden sollte. Und genau dorthin, in die fürsorglichen Arme dieser betulichen Ersatzeltern, wollte sie auf keinen Fall zurück! Aber wohin sollte sie sich wenden?! Sie hatte keine Familie, die auf sie wartete, genau genommen hatte sie nur Roc, und der war ihr abhanden gekommen, hatte ihr wahrscheinlich den Rücken gekehrt, war wütend auf sie? Auch wenn er ihr damit keine Gerechtigkeit widerfahren ließ, sie, Yeza, war bereit, alle Schuld auf sich zu nehmen, sogar um Vergebung würde sie ihren Ritter bitten, die Rog allerdings großmütig gewähren musste - aber dazu musste sie ihn erst einmal wieder finden, und hier im
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trostlosen Osten würde sich ein Tatendurstiger wie Roc Trencavel nicht unnötig lange aufhalten. Ihn würde es an die belebte Küste gezogen haben, wo Kampf, Abenteuer und schöne Frauen auf jeder Burg, in jedem Hafen auf ihn warteten. Yeza sah das mit der gleichen Generosität, die sie auch für sich in Anspruch nahm - ab und an!
Sie erreichten den Fluss Euphrat. Keine Fähre weit und breit, aber die Bauern, die an den fruchtbaren Ufern ihre Felder bestellten, erzählten bereitwillig von leicht passierbaren Furten weiter im Süden, dort, wo die Handelsstraße von Palmyra nach Bagdad den Euphrat kreuzte. So zogen sie den Fluss entlang, bis er tatsächlich immer breiter und somit auch flacher wurde. Haine von Zitrussträuchern, behäbig auskragende Feigenbäume und hohe Dattelpalmen breiteten sich beidseitig aus, das gegenüberliegende Ufer lag teilweise so weit entfernt, dass man die Menschen und Tiere auf der anderen Seite kaum zu erkennen vermochte. Diesmal bestand Yeza darauf, als Letzte den Fluss zu durchqueren. Sie hatte keine Lust, noch einmal auf die Ankunft des dämlichen Teppichs zu warten, und vor allem wollte sie sich die Chance offen halten, sich unter Umständen von der Karawane und damit von ihrem >Retter und Befreier< El-Aziz lösen zu können. Dieses windige Bürschlein - so vermutete sie zu Recht - hatte nichts anderes im Sinn, als die Prinzessin schnellstmöglich bei den Mongolen abzuliefern.
Vielleicht erhoffte sich der Tölpel zur Belohnung von des Il-Khan Gnaden nicht nur als Sultan in Damaskus inthronisiert zu werden, sondern auch noch die Hand Yezas, als zukünftige Suitana - lachhaft!
Die Karawane, die Tiere mit der Teppichrolle und deren Treiber
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