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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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weder Jubel noch Schrecken laut werden zu lassen - nur in ihren Gesichtern und Gesten spiegelte sich die Erregung, wurden schmerzhafte Treffer zuckend mit empfunden und geglücktes Ausweichen mit glänzenden Augen registriert.
    Yeza gegenüber stand, als Einziger aufrecht, ein barhäuptiger älterer Mann im dunklen burnus, das war Rhaban, der Fechtmeister der Seldschukenprinzen. Alp-Kilidsch und Kaikaus mussten zu Beginn ihres Schlagabtausches die rechte beziehungsweise - von Yeza aus gesehen - die linke Seite des zur Kampfmatte genützten Kelims gewählt haben. Das ging aus dem Verhalten ihrer jeweiligen Parteigänger hervor. Inzwischen wechselten die Positionen
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    mit jedem Sprung, mit dem sie einen Hieb nach der Kniekehle übersprangen, mit jedem Abducken, wenn die sausende Klinge auf den Hals zielte. Akrobatisch ließen sie sich rückwärts fallen, um noch im Salto den Scimtar nach dem Gegner kreisen zu lassen. Selbst die gewagtesten Ausfälle parierten sie eher durch gewandte Körperdrehung, als dass sie ihren kostbaren Damaszener Stahl zum Abblocken eines Hiebes einsetzten. Was sie vollführten, war eine hohe Schule der Fechtkunst. Ihr Meister hätte stolz auf seine Eleven sein können, wenn er nicht - vielleicht als Einziger außer Yeza - gespürt hätte, dass beide es längst darauf anlegten, den Bruder nicht einfach außer Gefecht zu setzen, sondern ihm unverhohlen nach dem Leben trachteten. Mehr noch der ungestüme Kaikaus als der bedächtigere Alp-Kilidsch. Die Schläge gerieten immer heftiger, immer
    unbarmherziger. Längst bluteten beide aus klaffenden Schnittwunden an Armen, Schultern und kreuz und quer über der Brust. Rhaban, der als Einziger offen eine kunstvoll ziselierte Damaszener-Klinge in der Hand hielt, während alle anderen des Gefolges sich ihrer Waffen zuvor hatten entledigen müssen, sah sich genötigt einzuschreiten. Furchtlos sprang er aus dem Stand zwischen die beiden.
    »Keinen Sieger gibt es unter Euch, meine Prinzen«, knurrte der Grauhaarige mit erstaunlicher Ruhe, während er Kaikaus mit blitzschneller Finte den Scimtar aus der Hand wirbelte, »dafür aber bald den Ersten, der verstümmelt verbluten wird!« Der drahtige Fechtmeister ließ Alp-Kilidsch, der sein Eingreifen hinterhältig ausnutzen wollte, bis kurz vor die Spitze seiner Klinge laufen, die er ihm überraschend unters Kinn setzte, dass dieser vor Schreck mit der Hand nach ihr griff und sich schnitt.
    »Anmaßend tragt Ihr dazu bei, Rhaban!«, fauchte Alp-Kilidsch, seine blutige Handfläche ihm entgegenstoßend,
    »doch habt Ihr darüber nicht zu befinden - «
    »Nur einer kann den Preis gewinnen«, tönte jetzt auch Kaikaus, der seinen Scimtar wieder aufgeklaubt hatte und drohend schwang, »und der mag sich erst seines Besitzes erfreuen, wenn der Verlierer mit seinem Blut gezahlt!«
    »Ich bitte Euch, meine Prinzen«, wandte sich der immer noch
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    recht rüstige Rhaban weniger an die Streithähne, sondern sein Blick suchte Yeza, und Yeza verzog keine Miene, sondern sah kalt auf die beiden, die da glaubten, sie sei nichts anderes als eine Trophäe, eine über den Weg gelaufene Gazelle, die dem siegreichen Jäger zufallen müsste! Ihr kamen die Geister des Teppichs in den Sinn, und ihre Augen wurden grausam, und ihr Lächeln gerann zur schieren Provokation. Die jungen Männer fassten es als Herausforderung auf.
    »Rhaban!«, rief Alp-Kilidsch mit ungewohnter Schärfe. »Stellt Euch nicht zwischen mich und Kaikaus, der noch nicht begriffen hat, wer hier sein Blut lassen wird!«
    Das ergrimmte den Jüngeren, und er stieß wütend ins gleiche Hörn. »Verlasst den Teppich! Ihr seid die längste Zeit unser Meister gewesen, unser Herr wart Ihr nie!«
    Rhaban sah ein, dass er von Yeza keine Unterstützung zu erwarten hatte, doch er wich nicht von seinem Platz zwischen den beiden.
    »Legt Eure Waffe ab und tretet zur Seite!« Alp-Kilidsch fixierte dabei schon wieder seinen Bruder, und der war sich ausnahmsweise mit ihm einig.
    »Das ist ein Befehl, Rhaban!«, verkündete er seinem Lehrer. »Und Ihr habt zu gehorchen!«
    Der Fechtmeister warf seinen Scimtar auf den Teppich, verneigte sich mit ausdruckslosem Gesicht vor den beiden und auch vor Yeza und verließ rückwärts schreitend den Kelim. Er nahm dort Platz, wo er zuvor als Schiedsrichter gestanden, und starrte hinüber zu Yeza, als wären seine beiden Schüler aus Glas.
    Ohne weitere Worte bückte sich Alp-Kilidsch und entfernte den Scimtar des Meisters wie einen

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