Der Kelim der Prinzessin
sowie die sonstigen berittenen Begleiter stiegen als Erste in die kaum hüfthohen Fluten, sie hatten einen Einheimischen aufgetrieben, der die Furt kannte und die Untiefen zu vermeiden wusste. El-Aziz mit seinen beiden Begleitern wollte ihnen auf der Stelle folgen, sie machten Yeza Zeichen, sich ihnen anzuschließen. Doch die Prinzessin würdigte das Angebot nicht einmal einer Antwort. Sie stand mit ihrem Reitkamel oben auf der Böschung im Schat-151
ten der Palmen und tat so, als nähme sie weder das heftige Gestikulieren wahr noch höre sie die Rufe. Ihr Blick war wie gedankenverloren auf den träge dahinfließenden Euphrat gerichtet. Die Karawane hatte bereits die Mitte des Flusses erreicht, als El-Aziz sein Bemühen um Yeza aufgab und seinen beiden Dienern befahl, sich nicht länger um die Störrische zu kümmern. Rasch ließen sie ihre Tiere hinter den vorausziehenden Nomaden herwaten. Yeza beobachtete bewegungslos, wie beide Gruppen eine nach der anderen für sie allmählich verschwammen, das gegenüberliegende Ufer hatte sie verschluckt. Yeza verfolgte weder einen bestimmten Plan, geschweige denn, dass sie einen Entschluss fasste. Sie wartete einfach ab. Entweder würde El-Aziz sich bei den Nomaden durchsetzen und einige, genügend, Leute zurückschicken, um die Prinzessin mit Gewalt zu holen, oder es geschah nichts dergleichen. Dann war sie frei, allerdings auch Freiwild als allein reisende Frau. Mit der ersten Möglichkeit rechnete sie nicht ernsthaft, denn das Verhältnis zwischen dem Sultanssohn und den Seldschuken ließ einen solchen Einsatz zu seinen Gunsten kaum erwarten. Sie erfüllten die Verpflichtung, die sie eingegangen, das war der Transport des wertvollen Kelim. Von einer Prinzessin darin war nie die Rede gewesen, das war die höchst private Angelegenheit des El-Aziz, und sie würden den Teufel tun, sich da einzumischen.
Umso erschrockener war Yeza, als sich jetzt vom gegenüberliegenden Ufer ein stattlicher Haufen von Kamelreitern löste und in lockerer Formation durch die Furt trabte. Im Näher kommen erkannte sie bald, dass es die Nomaden waren, die sich - ohne die Teppichrolle - schnell auf sie zubewegten. Jetzt die Flucht zu ergreifen war sinnlos, die Reiter würden sie hetzen wie Geparden eine Gazelle. Blieb sie hingegen stehen, wo sie stand, würde sie keine gefährliche Erregung provozieren und das Aufkommen von Jagdfieber vielleicht vermeiden. Die ersten Nomaden erreichten die Uferböschung, sie mussten Yeza gesehen haben, doch schenkten sie ihr keinerlei Beachtung, im Gegenteil, sie schauten grimmig durch sie hindurch, als würde die junge Frau, allein auf dem Kamel, für sie nicht existieren. Einer nach dem anderen stob grußlos an ihr vorbei, keiner drehte sich nach ihr um, und als auch der letzte der
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Seldschuken wieder festen Boden unter den Füßen hatte und den anderen hinterdrein geprescht war, stand Yeza plötzlich wieder allein, doch ziemlich verwirrt. Was war geschehen? Träge flössen die grünbraunen Wasser des Euphrat zu ihren Füßen. Sie starrte angestrengt hinüber zur anderen Seite des Flusses, dort musste des Rätsels Lösung liegen, aber so sehr sie sich auch mühte, mit zusammengekniffenen Augen das Dickicht der
Uferböschung zu durchdringen - drüben bewegte sich nichts. Hatte El-Aziz die Unerfüllbarkeit seines dummen Knabentraums eingesehen und sich ohne die ersehnte Prinzessin auf und davon gemacht - unter Verzicht auf den Kelim, der dann ja auch keinen Sinn mehr machte? Hatte er sich mit den Nomaden überworfen, hatten sie sich geweigert, den Teppich bis ins Heerlager der Mongolen zu schleppen? Yeza lenkte ihr Kamel bis an des Flusses Strand, ritt dort für jedermann sichtbar auf und ab, um zu sehen, ob sich drüben etwas regte - nichts! So töricht konnte dieser Sohn eines Sultans ja wohl kaum sein, dass er glaubte, ihr eine Falle stellen zu können? Selbst bei williger Mitwirkung seines Kochs und des Eunuchen waren sie nicht Manns genug, eine wie Yeza zu fangen -
niemals! Die drei Helden hatten wahrscheinlich längst das Weite gesucht. Yeza sah nicht ein, warum sie weitere Zeit verlieren sollte, und trieb ihr Tier in die Fluten. Den Weg durch die Furt hatte sie sich einigermaßen gemerkt, doch überließ sie es ihrem Kamel, sich behutsam über die verborgene Kette von Sandbänken voranzutasten, schließlich hatte sie keine Eile.
Yeza hatte noch nicht die Hälfte des Flusses hinter sich gebracht, als aus den Büschen vor ihr drei, vier Reiter
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