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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Augenblick steckt!
    Es wird ihn sehr bekümmern, wenn er nicht hier ist, um einem guten Mann die letzte Ehre zu erweisen.« Sie schüttelte das kurze Gedenken von sich ab und wurde praktisch wie immer.
    »Nun, das ist nicht deine Schuld, du hast wohl gehandelt an ihm und brauchst nicht zurückzuschauen. Setz dich und ruh dich aus. Du bist wieder zu Hause, endlich, hast deine Reise fürs erste hinter dir. Jetzt kannst du dir Ruhe gönnen.«
    Sie brachte ihm Ale, ließ sich neben ihm nieder und überlegte ohne eine Spur von Verzweiflung, was zu tun war. Sie war eine kompetente Frau und würde dafür sorgen, daß alles in guter Ordnung und angemessen ablief, ob ihr Mann nun rechtzeitig zurückkehrte oder nicht.
    »Ich glaube, er war fast achtzig Jahre alt«, sagte sie. »Er hat ein gutes Leben geführt, und er war ein guter Verwandter und ein guter Nachbar. Er ist gestorben, während er eine segensreiche Tat vollbrachte, und noch dazu eine, die er sich von ganzem Herzen wünschte, nachdem ihn dieser alte Priester von Saint Osyth einmal auf die Idee gebracht hatte.
    Und da sitze ich nun«, sie schüttelte seufzend den Kopf, »und verliere mich in die Erinnerung an alte Zeiten, was ich gar nicht wollte. Die Zeit ist knapp! Ich finde, der Abt hätte uns eine Nachricht zukommen lassen sollen, sobald du beim Torhaus angekommen warst.«
    »Er hat erst heute morgen beim Kapitel davon erfahren. Er ist erst seit vier Jahren im Amt, und wir waren sieben Jahre fort.
    Aber jetzt ist alles in bester Ordnung.«
    »Vielleicht unten in der Abtei, aber hier oben muß ich zusehen, daß alles bereit ist. Alle Nachbarn werden kommen wollen, und ich hoffe, daß du nach der Beisetzung auch mit uns zurückkommst. Ein Glück, daß Conan hier ist. Ich schicke ihn nach Westen, er soll zusehen, ob er Girard noch rechtzeitig finden kann; wir haben keine Ahnung, wo er sich gerade aufhält. Da draußen sind sechs Herden, um die er sich kümmern muß. Bleib ruhig hier sitzen, ich gehe und hole Jevan aus der Werkstatt und Aldwin von seinen Büchern, und dann kannst du uns allen erzählen, wie es dem alten Mann ergangen ist. Fortunata ist auf dem Markt, aber sie wird sicher auch bald kommen.«
    Im Nu war sie verschwunden, hinausgeeilt, um Jevan aus seiner Werkstatt zu holen, und Elave blieb allein zurück, atemlos und stumm von ihrem Redefluß, der ihm keine Gelegenheit gelassen hatte, den Auftrag zu erwähnen, den er außerdem noch zu erledigen hatte. Ein paar Minuten später kam sie mit dem Pergamenthersteller, dem Schreiber und dem Schafhirten Conan zurück, dem gesamten Haushalt bis auf die abwesende Ziehtochter. Elave kannte sie alle gut von seiner früheren Dienstzeit, und nur einer von ihnen hatte sich stark verändert. Conan war damals ein junger Mann von zwanzig Jahren gewesen, schlank und geschmeidig; jetzt war er in die Breite gegangen und hatte Fleisch und Muskeln angesetzt, ein massiger, aber trotzdem noch gutaussehender Mann, gebräunt und kräftig vom Leben im Freien. Aldwin war in Girards Diensten in den Haushalt gekommen und in Elaves Fußstapfen getreten, als William seinen eigenen Gehilfen auf seine Pilgerfahrt mitnahm – ein Mann, der damals bereits über Vierzig war, fast ein Analphabet, der jedoch von Natur aus gut mit Zahlen umgehen konnte. Aldwin sah jetzt, da er auf die Fünfzig zuging, fast genau so aus wie damals, aber sein Haar enthielt jetzt mehr Grau und lichtete sich auf dem Scheitel. Er hatte schwer arbeiten müssen, um sich seine Stellung zu verdienen und sie zu behalten, und in sein Gesicht hatten sich Linien der Abwehr und der Ängstlichkeit eingegraben. Elave hatte schon früh lesen und schreiben gelernt, bei einem Priester, der erkannt hatte, was in seinem kleinen Pfarrkind steckte, und der Junge hatte seine Überlegenheit schamlos genossen, als er mit Aldwin zusammengearbeitet hatte. Er entsann sich jetzt, wie gern er sein Wissen und Können an den wesentlich älteren Mann weitergegeben hatte, nicht aus einem echten Bedürfnis heraus, ihm zu helfen, sondern um sowohl Aldwin als auch andere Beobachter mit seiner eigenen Tüchtigkeit zu beeindrucken. Jetzt war er älter und klüger geworden, hatte entdeckt, wie groß die Welt war und wie klein er selbst. Er war froh, daß Aldwin diese sichere Stellung hatte, ein festes Dach über dem Kopf und niemanden, der ihm seinen Posten streitig machte.
    Jevan von Lythwood war knapp über Vierzig, sieben Jahre jünger als sein Bruder, hochgewachsen, aufrecht und schlank gebaut,

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