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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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und es war wunderbar.«
    »Aber nicht immer gut«, sagte Cadfael. »Das kann nicht sein, das können wir nicht verlangen. Denkt an die Kälte und den Regen und den Hunger zuzeiten, an das, was Ihr hin und wieder durch Diebe verloren habt und an die Schläge, die Euch Leute versetzten, die über Reisende herfallen – versucht nicht, mir zu erzählen, daß Ihr ihnen nicht begegnet wäret! Und die Müdigkeit, und die Zeiten, in denen Euer Herr krank war, das schlechte Essen, das schale Wasser, die Steine der Straßen.
    All das ist Euch begegnet. Es begegnet jedem Menschen, der eine so weite Reise unternimmt.«
    »An all das erinnere ich mich«, sagte Elave unverdrossen, »aber es war trotzdem wunderbar.«
    »Gut! So sollte es sein«, sagte Cadfael seufzend. »Junge, ich würde mich gern mit Euch zusammensetzen und mich mit Euch über jeden einzelnen Schritt der Reise unterhalten, wenn Ihr die Zeit dazu habt. Aber zuerst geht und liefert Eure Schatulle bei Herrn Girard ab, dann habt Ihr Eure Pflicht getan. Wie sehen Eure weiteren Pläne aus? Wollt Ihr wieder für sie arbeiten wie früher?«
    »Nein, das nicht. Ich habe für Master William gearbeitet. Sie haben ihren eigenen Schreiber, ich will ihn nicht verdrängen; und zwei brauchen sie nicht. Außerdem möchte ich mehr und etwas anderes. Ich werde mir Zeit lassen, um mich umzuschauen. Ich bin mit mehr Fähigkeiten zurückgekommen, als ich beim Aufbruch besaß, und ich möchte Gebrauch von ihnen machen.« Er erhob sich und klemmte die Schatulle sicher unter den Arm.
    »Ich habe vergessen«, sagte Cadfael, während er ihm nachdenklich zuschaute, »wenn ich es überhaupt jemals wußte – wie ist er zu dem Mädchen gekommen? Er hatte keine eigenen Kinder, und soweit ich weiß, ist auch Girard kinderlos; und der andere Bruder hat nie geheiratet. Wo kam das Mädchen her? Ein Findling, den er aufgenommen hat?«
    »So könnte man sagen. Sie hatten ein Dienstmädchen, eine schlichte Seele, die sich während eines Jahrmarkts von einem kleinen Hausierer verführen ließ und dann ein Mädchen zur Welt brachte. Master William gewährte ihnen beiden Unterkunft, und Mistress Margaret kümmerte sich um das Kind, als wäre es ihr eigenes. Und als die Mutter starb, behielten sie es einfach.
    Sie war ein hübsches kleines Ding und hatte mehr Verstand als ihre Mutter. Master William hat ihr den Namen Fortunata gegeben; er sagte, sie wäre mit nichts auf die Welt gekommen, nicht einmal einem Vater, und hätte trotzdem ein Heim und eine Familie gefunden, und sie würde zeitlebens immer wieder auf die Füße fallen. Sie war elf, knapp zwölf«, sagte Elave, »als wir aufbrachen, ein mageres, staksiges kleines Ding, das nur aus Zähnen und Ellenbogen bestand. Man sagt, aus den hübschesten Welpen würden die häßlichsten Hunde. Sie wird eine anständige Mitgift brauchen, die ihr Aussehen wettmacht.«
    Er reckte seinen langen Körper, klemmte die Schatulle noch sicherer unter den Arm, neigte den blonden Kopf zu einem kleinen, freundlichen Gruß und machte sich auf den Weg.
    Seine Eile, sich der letzten Pflichten zu entledigen, die ihm auferlegt worden waren, wurde ein wenig gehemmt durch den Gedanken an die sieben Jahre, die vergangen waren, seit er Williams Familie zum letzten Mal gesehen hatte. Die lange Zeit, die ihm bis jetzt kaum bewußt geworden war, mußte unfehlbar eine Entfremdung mit sich gebracht haben. Was einst vertraut war, war jetzt fremd, und es würde Zeit brauchen, bis er sich wieder hineingetastet hatte. Cadfael sah ihm nach, wie er um die Ecke der Buchsbaumhecke herum verschwand, erfüllt von Mitgefühl und Neid.
    Das Haus des Girard von Lythwood hatte, wie viele der Bürgerlehen von Kaufleuten in Shrewsbury, die Form eines L, dessen kurzer Balken die Straßenfront bildete und von einem gewölbten Tor durchbrochen war, durch das man in den dahinterliegenden Hof und Garten gelangte. Dieser Teil des Hauses war eingeschossig, und in ihm befand sich die Werkstatt, in der Jevan, der jüngere der beiden Brüder, seine fertigen Pergamentblätter und -lagen aufbewahrte und die bearbeiteten Häute verkaufte, die auf Bestellung gefaltet und zugeschnitten wurden. Der lange Balken des L wendete die gegiebelte Vorderfront der Straße zu und bestand aus einem flachen, unterirdischen Gewölbe, über dem die Wohnräume lagen, sowie einem Dachboden, der zusätzliche Schlafmöglichkeiten bot. Das gesamte Bürgerlehen war nicht groß, denn Platz war kostbar in einer Stadt, die innerhalb

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