Der Killer wartet
Waffe nicht gehabt hätte, wäre ich jetzt wohl nicht mehr am Leben", erklärte Feller kühl. "Wie auch immer Sie es drehen und wenden wollen, Herr Moeller. Es war Notwehr."
Moeller nickte leicht. "Ja, ja", murmelte er. "Es sieht ganz so aus..."
Und warum habe ich dann so ein Bauchgrimmen dabei? fragte Moeller sich selbst.
Er sah es triumphierend in Martin Fellers Augen aufblitzen.
Nein, dachte Moeller. Das ist nicht nur einer, der froh ist, knapp einem Anschlag entgangen zu sein. Das ist einer, dem noch ganz andere Steine vom Herzen gefallen sind...
Aber das war kein Beweis.
Nicht einmal ein Indiz.
Vielleicht sogar nur Einbildung.
Verrenn' dich nicht, Moeller! sagte eine warnende Stimme in ihm. Sei ein Sportsmann! Erkenne, wann das Spiel aus ist! Du warst auf dem Holzweg!
Martin Feller redete wortreich auf Moeller ein, erläuterte ihm jedes Detail. Sein Mund bewegte sich unablässig und Moeller dachte genervt: Manche Leute trinken Quasselwasser oder Schnaps, um ihre Zunge zu lösen, und ein Martin Feller legt halt jemanden um...
Was will er damit nur überspielen? überlegte Moeller.
Der Kommissar hörte gar nicht mehr auf die einzelnen Worte.
Für ihn klang das Gerede in diesem Moment wie ein diffuser Tonbrei.
Wie sieht die Hölle aus? dachte er. Einen Tag lang dazu gezwungen zu sein, die Musik von Tom Astor oder Heino zu hören oder dieses Gesabbel?
Er mochte nicht entscheiden, was schlimmer war.
Statt dessen schaltete er einfach ab.
Moeller hörte im Kopf die fulminanten, geradezu wahnwitzigen Läufe aus Charlie 'Bird' Parkers Stück AH-LEU-CHA.
Markus 'Bird' Moeller. Klingt doch auch nicht schlecht, oder? ging es dem Kommissar durch den Kopf. Er dachte daran, den Song mal aufzunehmen, ließ den Plan in der nächsten Sekunde aber wieder fallen. Wahrscheinlich würde er beim Saxophonspielen nur einen Knoten in die Finger bekommen. Bei den Wahnsinnsläufen!
Martin Fellers Gerede wirkte auf Moeller wie Kaufhausmusik im Hintergrund. Man nahm sie erst war, wenn sie plötzlich nicht mehr lief und jemand sagte: "12 bitte 13!"
Moeller blickte quer durch den Raum.
Carola Feller stand am Fenster. Sie wirkt sehr nachdenklich und schaute hinaus. Die Arme hatte sie vor der Brust verschränkt. Ihre Augen waren rot umrandet.
Moeller ließ den Gebrauchtwagenhändler einfach stehen und trat neben sie.
"Muß ein Schock für Sie gewesen sein", sagte er, um Verständnis zu signalisieren.
Sie sah Moeller kurz an, antwortete aber nicht.
"Ich denke, daß Sie jetzt aufatmen können, Frau Feller."
Ihr Lächeln war dünn. "Sicher", murmelte sie.
Moeller hörte einen klagenden Saxophonton in seinem Kopf.
*
Moeller stand am Fenster seiner Wohnung und beobachtete, wie die Sonne als verwaschener Lichtfleck im grauen, dunstigen Himmel hinter der nächsten Anhöhe verank.
"Na, wat macht die Kunst?" rief der Mann im Unterhemd zu ihm herauf. Es war lausig kalt an diesem Abend, aber das schien der Kerl gar nicht zu registrieren.
Moeller blickte hinab.
"Häh?" meinte er.
"Na, kein Gedudel heute, woll? Ich habe mich schon gewundert! Unsere alte Mutter meinte schon, als sie Ihre Rostlaube auf dem Parkplatz gesehen hat: Dat wird 'ne unruhige Nacht! Aber bis jetzt habe ich noch keinen Laut gehört!"
"Künstlerische Krise!" knurrte Moeller.
Aber das war nicht die Wahrheit.
Die Krise hatte nichts mit dem Saxophon zu tun, sondern mit dem kleinen Nebenjob, den er zu verrichten hatte.
Dies war einer jener Augenblicke, in denen Moeller sich wünschte, er wäre doch Musiker geworden und nicht Polizist.
Selbst, wenn man miserabel spielte und das Publikum mit Tomaten nach einem warf - Moeller glaubte einfach nicht, daß man sich dann unzufriedener mit sich und seiner Arbeit fühlen konnte, als ein Kriminalkommissar, der einen Fall zu den Akten legen mußte, von dem er glaubte, daß allenfalls die Oberfläche aufgeklärt war. Und genau das würde passieren.
Moeller sah es auf sich zukommen.
So ein Mist! durchfuhr es ihn.
Und dabei sah er das triumphierende Gesicht von Martin Feller vor seinem inneren Auge.
Wer mochte da noch an die göttliche Musik eines John Coltrane denken?
Alles paßte viel zu gut zusammen.
Kurt Erichsen, wohnhaft in Essen, hatte die letzten Wochen auf einem Campingplatz in Windebruch an der Listertalsperre verbracht. In seinem Iglu-Zelt hatte man einiges an Belastungsmaterial gefunden. Insbesondere Fotos von Feller und Wolf, sowie einige zusammengeklebte Drohbriefe, die offenbar noch nicht
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